Hommage für Mascha Kaléko zum 100. Geburtstag!
"Zur Heimat erkor ich mir die Liebe"
(9. Juni 07)
Mascha Kaléko
Von Janosch, dem berühmten Zeichner und Kinderbuchautor ist der Ausspruch: "Gedichte lassen sich nicht verkaufen - mit zwei Ausnahmen: J. W. von Goethe und Mascha Kaléko."
Von keiner anderen Lyrikerin im deutschsprachigen Raum sind so viele Gedichtbände verkauft worden wie von Mascha Kaléko - annähernd eine halbe Millionen Exemplare sind es bis heute.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Autorin selbst den meisten ihrer Leserinnen und Lesern nur wenig bekannt ist - von den Nicht-Lesern ganz zu schweigen! Grund genug an Mascha Kaléko zu erinnern, die am 07. Juni 2007 einhundert Jahre alt - oder besser gesagt jung geworden wäre.
Die Hommage gestaltete Christina Bolte, die seit mehr als zwanzig Jahren eine "süchtige" Mascha Kaléko-Leserin ist und bereits 2004 ihren ersten Rezitationsabend mit Werken der Dichterin in Lippoldsberg gegeben hat.
Christina Bolte rezitierte Gedichte aus den drei bekanntesten Gedichtbänden Mascha Kalékos: dem "Lyrischen Stenogrammheft", erschienen 1933 im Rowohlt Verlag, den "Versen für Zeitgenossen", die 1945 im amerikanischen Exil entstanden und dem posthum erschienenen Band "In meinen Träumen läutet es Sturm", der 1977 zwei Jahre nach dem Tod der Dichterin bei dtv herausgekommen ist.
Musikalisch umrahmt wurden die Gedichte von Klezmerklängen, die Yoko Teuteberg auf der Klarinette spielte. Lebensfreude, Humor und Leichtigkeit gepaart mit Wehmut, Sehnsucht und leiser Melancholie verbanden die Klezmerklänge mit den Kaléko-Gedichten.
Mascha Kaléko - Biographie
Mascha Kaléko
Die Gedichte Mascha Kalékos erzählen ihre Lebensgeschichte quasi von selbst, denn alles, was sie schrieb, war autobiografisch gefärbt. Dichten war für Mascha Kaléko so lebenswichtig wie ein- und ausatmen. Und nur in besonders kritischen Lebensphasen schrieb die Dichterin darüber hinaus noch Tagebuch.
Mascha Kaléko kam 1907 im galizischen Chrzanow als Malka Golda Aufen unehelich zur Welt. Der Vater war russischer, die Mutter österreichischer Abstammung, beide waren strenggläubige Juden. Auf ihre Kindheit ließ sich die Dichterin nicht gerne ansprechen, es war ihr peinlich aus Galizien zu stammen. Galizien galt als Armenhaus Europas - dort gingen orthodoxe Strenggläubigkeit und bittere Armut oft Hand in Hand.
Der Ausbruch des 1. Weltkrieges ließ die Familie nach Westen fliehen: über Frankfurt und Marburg fand man in Berlin eine vorläufige neue Heimat. Vertreibung, Flucht, Vaterlosigkeit und Heimatlosigkeit prägen Mascha Kalékos Erfahrungen von Kindheit an. Doch in Berlin findet sie erstmalig ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit: Berlin wird "ihre" Stadt.
In Berlin beginnt die sechszehnjährige Mascha Kaléko eine ungeliebte Bürolehre bei der jüdischen Arbeiter-Wohlfahrt; wie viel lieber hätte sie eine höhere Schule besucht. Doch Schulen kosteten Geld und gerade das fehlte der Familie ständig. Doch trotz aller schwierigen Lebensumstände genießt Mascha die Freiheit und die Anregungen des Berliner Großstadtlebens in vollen Zügen.
Was sie erlebt und beobachtet verarbeitet sie in ihren Gedichten. Es sind kleine Alltagsminiaturen, die kess, witzig und leichtfüßig gereimt daherkommen. Bei aller Leichtigkeit des Tones schwingt jedoch immer ein bisschen Melancholie, Wehmut und Sehnsucht mit. Diese besondere Mischung wird zum typischen "Mascha-Kaléko-Ton", begründet ihren dichterischen Ruhm und beschert ihr viele Liebhaber: Von Hermann Hesse über Thomas Mann, Albert Einstein bis hin zu Marchel Reich-Ranicki und Christian Quadflieg reicht die kontinuierliche Kette ihrer lyrischen Bewunderer.
Mit einundzwanzig heiratet Mascha Kaléko den jüdischen Philologen Saul Kaléko, er wird ihr erster Ehemann. Ende der zwanziger Jahre werden erstmals Gedichte von ihr in den großen Berliner Tageszeitungen veröffentlicht, die begeisterte Leser finden.
Die junge Dichterin findet Aufnahme im Romanischen Café, wo sich alles was in Berlin künstlerisch Rang und Namen hat, trifft. Mit klopfendem Herzen und voller Lampenfieber liest sie dort erstmals ihre Gedichte öffentlich vor - und das Publikum liegt ihr zu Füßen. Bald diskutiert sie ihre Gedichte selbstbewusst im Kreis so berühmter Kollegen wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Else Lasker-Schüler und Alfred Polgar.
Der Rowohlt-Verlag bietet Mascha Kaléko an, ihre Zeitungs-Gedichte in einem ersten Lyrikband zu drucken. "Das Lyrische Stenogrammheft" erscheint 1933 und macht Mascha Kaléko im gesamten deutsch-sprachigen Raum bekannt.
Was so hoffnungsvoll begann, sollte 1935 ein vorläufiges Ende finden. Die Nazis erteilten Mascha Kaléko Schreib- und Publikationsverbot, ihre Karriere war so abrupt zu Ende wie sie begonnen hatte.
Mit ihrem zweiten Mann, dem Komponisten, Musikwissenschaftler und Dirigenten Chemjo Vinaver sowie dem gemeinsamen zweijährigen Sohn verlässt Mascha Kaléko Deutschland und emigriert 1938 in die USA. Heimatlosigkeit wird erneut das beherrschende Leitmotiv in ihrem Leben. Auf Wunsch ihres Mannes erfolgt schließlich 1959 die Auswanderung nach Israel, wo Mascha Kaléko nie heimisch wird.
Mascha Kaléko stirbt 1975 während einer Leserreise in Zürich.
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