Musikalisches Festessen
Gioachino Rossinis "petite messe solennelle"
(Bericht der HNA vom 12. Oktober 05 - Nicola Uphoff-Watschong)
LIPPOLDSBERG. Vielleicht hätte die Aufführung der recht unbekannten Messe mehr als 40 Zuhörer in die Klosterkirche gelockt, wäre sie mit einer Überschrift wie "Festessen in der Pizzeria Gioachino" beworben worden.
Giochino Rossini
Rossini (1792-1868) ist vielen als Opernkomponist bekannt, unterbrach aber seine Karriere für 35 Jahre und wandte sich stattdessen der Kochkunst zu. Wie ein opulentes Mahl mit stillen, genießerischen Momenten klang dann auch die kleine Messe, das letzte Werk, das er wenige Jahre vor seinem Tod schrieb. Klein war von ihm allerdings nur die Besetzung der immerhin 90-minütigen Komposition geplant. Zwölf Musiker sollten es sein, darunter auch Sängerinnen. Ein Grund, warum diese Musik damals in Gotteshäusern verboten war. Auch heute wird sie nur selten in Kirchen aufgeführt, zu schwelgerisch und lebenslustig ist die Messe in vielen Teilen. Rossini war dreist genug, eine Parallele zwischen den zwölf Jüngern Jesu und seinem Ensemble für die Messe zu ziehen, allerdings verspricht er Gott, bei ihm werde kein Judas einen falschen Ton singen.
Die Eröffnung des Konzerts durch die SängerInnen des kleinen Chors von St. Petri-Göttingen war ein Appetit machender Aperitif. Mit dem volkstümlichen "Gondolieri" steuerten sie schwungvoll in den kirchlichen Hafen. Die Akteure ließen sich bewegen von der Musik, gingen auf in den manchmal lustvollen Klängen. Exakt kamen die oft überraschenden Einsätze der Stimmen, konzentriert die Wechsel mit den Solisten. Schon im ersten Stück erwies sich der Chor als homogener Klangkörper, ausgewogen in den Stimmen und in faszinierender Kommunikation mit dem Dirigenten Norbert Bernholt. Er gab dem Abend die rechte Würze mit einem zurückhaltenden, aber punktgenauen Dirigat, unter dem alle Musiker ihren "Eigengeschmack" entfalten konnten.
St. Petri Chor Göttingen und Solisten - Leitung Norbert Bernholt
Gundula Bernhold lud mit ihrem wunderbar zarten und doch kraftvollem Sopran zum Innehalten im Festmahl ein. Altistin Kerstin Jaedicke überzeugte mit warmer und raumfüllender Stimme. Christoph Rosenbaum, kurzfristig eingesprungen, gab seinem Tenorsolo eine Note, die einer Rossini-Oper würdig gewesen wäre. Ein wenig angespannt wirkte die Stimme, im Solo nicht immer ganz rein, im Solistenchor jedoch passte er sich gut ein. Vervollständigt wurde das Quartett durch Klaus Kahlen, der mit seiner kultivierten Bassstimme das Fundament bildete.
Solisten vorne v.l.: Gundula Bernhold, Kerstin Jaedicke,
Christoph Rosenbaum, Klaus Kahlen
Rossinis Messe machte deutlich, dass die Liturgie mit ihren einzelnen Elementen vom Kyrie bis zum Agnus Dei ebenso sorgfältig zusammengestellt ist wie eine kulinarische Speisekarte: Langsam aufbauend strebt sie zum Höhepunkt, hält inne im Offertorium und klingt dann allmählich aus. Allerdings lebt hier der Mensch nicht nur vom Brot allein, sondern auch vom Wort Gottes.
Im Offertorium bekam dieses Wort Raum, einfühlsam weiter erzählt von Pianistin Nadja Belneeva. Stille Leidenschaft und große Glaubensgewissheit strahlten aus dem predigtähnlichen "Prelude religieux".
Am Flügel wurden Höhen und Tiefen des Glaubens ausgelotet, oft besonders in den Übergängen, die noch einmal den Inhalt des Vorangegangen in wenigen Takten zusammenfassten oder auf den nächsten Teil vorbereiteten. Heitere Beschwingtheit und etwas Volkstümlichkeit dagegen verbreitete das Harmonium, gespielt von Holger Lieneweg.
Alle Mitwirkenden an Rossinis Messe in der Klosterkirche Lippoldsberg
Das abschließende "Agnus Dei" überraschte mit zurückhaltenden Tönen, verbreitete Ruhe nach der lebenslustigen Fülle des musikalischen Büffets. "Gib uns deinen Frieden" - mit dieser Bitte klang das hörenswerte Konzert aus.
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