Taufe - Entscheidung
Sollen wir unser Kind taufen lassen -
oder soll es später selbst entscheiden?
Diese Frage, die viele verantwortungsbewusste Eltern heute stellen, spiegelt ein Grundproblem, das in der Geschichte der Kirche immer wieder aufgetreten ist und verschieden beantwortet wurde
Wasserritual als Initiationsritus
während der Konfirmandenzeit
In der ganz frühen Christenheit wurden nur Erwachsene getauft. Die Zulassung zur Taufe setzte eine lange Zeit intensiven Taufunterrichts voraus, an deren Ende die bewusste Entscheidung des Täuflings stand. Diese Taufe war ein echter Initiationsritus und konnte als lebensgeschichtlicher Wendepunkt erfahren werden.
Schon ab dem 2. Jahrhundert wurden jedoch auch Kinder getauft, weil es keine Vorbedingung geben kann, um zu Gott zu gelangen. Hatte doch Jesus gesagt: "Lasst die Kinder zu mir zu kommen und hindert sie nicht; denn solchen gehört das Himmelreich." (Mt 19,14)
Dass die Kindertaufe aber etwa seit dem 5. Jahrhundert zum Regelfall wurde, hat mit der Anerkennung des Christentums als römischer Staatsreligion zu tun. Nun wollte oder sollte jeder zur Kirche gehören. Neben solch problematischen, machtpolitischen Überlegungen gab es auch machtkritische Beweggründe, zur Kindertaufe überzugehen. Im Rechtssystem des antiken Rom galten Kinder als Besitz des Vaters, der völlig frei über sie verfügen konnte: Er konnte sie z.B. annehmen oder aussetzen. Durch die Taufe wurden die Kinder dieser Alleinherrschaft des Vaters entzogen und in den Bereich Gottes hineingestellt. Sie wurden heilig und damit "tabu".
Auch heute erkennen die Eltern mit der Taufe an, dass ihr Kind ihnen nur anvertraut ist. So sehr das Kind von ihnen abhängt und lange auf sie angewiesen bleibt, ist es doch von Anfang an auch ein Gegenüber mit eigenständiger Würde. Jedes Kind ist mehr als das, was die Eltern in ihm sehen; in ihm wohnt ein Geheimnis, das in letzter Tiefe nur Gott zu erkennen vermag.
Darstellung der Jesuskindes im Tempel
Tafelbild aus Schmalkalden um 1500
Um das deutlich zu machen, wird das Kind den Eltern symbolisch entzogen, indem zumeist ein Pate es über den Taufstein hält und der Pfarrer es nach der Taufe der Gemeinde als Kind Gottes präsentiert.
Manche christliche Gemeinschaften, z.B. die Baptisten, lassen nur die Taufe von "Erwachsenen", also religionsmündigen Menschen zu, eben weil sie die freie und eigenverantwortliche Entscheidung betonen. Freilich sind gerade das Gemeinschaften, in denen man sehr intensiv darauf hinarbeitet, Kinder und Jugendliche an die Inhalte und Formen des christlichen Glaubens heranzuführen.
Ob man als Eltern das Neugeborene taufen lässt oder die Entscheidung aufschiebt bis zur Religionsmündigkeit - wichtig ist zu erkennen, dass es im Hinblick auf Erziehung keine Neutralität gibt. Bei der naheliegenden Position "Das soll mein Kind selbst entscheiden" kann man nicht stehen bleiben. Denn ein Kind kann sich nur für oder gegen etwas entscheiden, was es kennt. Und eine Religion kann man eigentlich nur "von innen" kennen lernen, von Menschen, denen diese Tradition etwas bedeutet.
Die eigentliche Frage ist also: Trauen wir als Eltern den christlichen Überlieferungen einen guten und heilsamen Einfluss auf das Leben zu? Dann ergibt sich daraus auch die Aufgabe, Kinder mit dieser religiösen Tradition vertraut zu machen. Auch getaufte Kinder werden spätestens bei der Konfirmation vor die Frage gestellt, ob sie sich die Entscheidung, die die Eltern einst für sie getroffen haben, zueigen machen wollen.