Märchengottesdienst - Tierpark Sababurg 2009
Dornröschen
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In diesem Jahr ging es beim Märchengottesdienst im Tierpark um eines der bekannteren Märchen aus dem Schatz der Brüder Grimm. Eigentlich um das Märchen, dass sich zu Füßen des Dornröschenschlosses besonders nahe legt: eben um: "Dornröschen".
Es war einmal ..... Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: "Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!" und kriegten immer keins. Da trug sich zu, als die Königin einmal im Bade sass, dass ein Frosch aus dem Wasser ans Land kroch und zu ihr sprach: "Dein Wunsch wird erfüllt werden, ehe ein Jahr vergeht, wirst du eine Tochter zur Welt bringen."
Was der Frosch gesagt hatte, das geschah, und die Königin gebar ein Mädchen.
So beginnt die Geschichte, der über 100 Besucher gebannt lauschten. Wie sie weitergeht, weiß jedes Kind. Dornröschen ist eines der Märchen, die mit ihrer bildhaften Sprache besonders im Gedächtnis bleibt. Da sind die 12 weisen Frauen, die der König zum Festmahl einlädt ...
Sie wünschen Tugend, Jugend, Klugheit, Bescheidenheit, Schönheit,
Liebreiz, Erfolg, Demut, Freunde, Mut und Gut.
Warum bloß hat er für die 13. Fee oder Hexe, die in ihrer Wut das Dornröschen verhexte, keinen Platz beim Fest eingeräumt?
Dieser Frage ging Pfarrer Christian Trappe (Lippoldsberg) nach und gab weitere tiefe Einblicke in mögliche Erklärungen zum Märchen. Und da kam tatsächlich Unerwartetes zu Tage.
"Du sollst dich in deinem fünfzehnten Jahr an einer Spindel stechen - und tot hinfallen."
In Märchen geschieht nichts zufällig oder nebenbei. Darum lohnt sich genaues Hinsehen. Schauen wir uns an, wer diese 13. der weisen Frauen ist. Sie ist wild und ungestüm, leidenschaftlich. So schert sich nicht um Anstand und höfliche Sitte, sondern geht schamlos geradlinig auf ihr Ziel zu.
Ihr Fluch soll die Königstochter nicht sofort, sondern erst im Teenageralter treffen, in dem bei einem Mädchen die Monatsblutungen eingesetzt haben und ihre Sexualität erwacht. Und damit auch eine Entwicklung, die sie früher oder später aus dem Haus der Eltern herausführt, hinein in ein eigenständiges Leben mit Ehemann und vielleicht eigenen Kindern.
Diese Phase der Selbstwerdung ist eine kritische Zeit. Denn die Loslösung geschieht nicht reibungslos, sondern in schmerzhaften Konflikten. Dabei kann viel schiefgehn. Und genau darauf zielt der Fluch der 13. Weisen. Und genau davon will der Vater seine Tochter fernhalten. Und so befiehlt er, alle Spindeln im Land zu verbrennen.
Doch lässt sich die Neugier der Jugend auf das Leben nicht dauerhaft unterdrücken. Und so kommt es, wie es kommen muss.
"Guten Tag, du altes Mütterchen, was machst du da?"
"Ich spinne." "Was ist das: Spinnen? - Autsch!"
So ging der Zauberspruch in Erfüllung, und die Königstochter fiel in einem tiefen Schlaf. Und dieser Schlaf verbreite sich über das ganze Schloss: der König und die Königin, die eben heimgekommen waren und in den Saal getreten waren, fingen an einzuschlafen und der ganze Hofstaat mit ihnen. Da schliefen auch die Pferde im Stall, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das auf dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, und der Koch, der den Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, in den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief.
Der König, der alle Spindeln aus seinem Reiche verbannt, ist derselbe, der keinen Platz an seiner Tafel hat für die 13. weise Frau. Der Vater möchte nur die hellen, lichten Gaben für seine Tochter und so wird sie ein schönes, sittsames, freundliches und verständiges Mädchen. Die Gabe einer erfüllten, lebendigen Sexualität ist dem Vater unheimlich, und darum wird sie zur Bedrohung.
Der Versuch des Vaters, die Veränderungen des Lebens aufzuhalten, blockiert nicht nur Dornröschens Leben - sondern das des ganzen Hofstaats. Die Verdrängung der Sexualität führt zu einem Verlust von Vitalität. Das kann sich lähmend auf eine ganze Gesellschaft auswirken. Die Kirche weiß ein Lied davon zu singen - mit vielen Strophen!
Und: Gott sei Dank war die Weisheit des Märchens schon immer größer als der zwanghafte Ordnungssinn von Dornröschens Vater. Das Leben bahnt sich seinen Weg: unaufhaltsam, urgewaltig...
Denn einer fehlt ja noch im Spiel, der furchtlose, beharrliche Prinz, der sich zum Dornröschen durchkämpft ...
Da lag es und war so schön, dass er die Augen nicht abwenden konnte,
und er bückte sich und gab ihm einen Kuss.
Man kann keine Dornenhecke errichten, die ewig hält. Man kann nichts auf Dauer aussperren - oder einsperren. Früher oder später bricht sich das Leben Bahn.
Aber: Man kann auch nicht jede Dornenhecke gewaltsam niederreißen. Manchmal muss man Geduld haben, bis die Zeit erfüllt ist. Man kann nichts dazutun und wegtun, sondern muss Gott wirken lassen.
... und der König erwachte und die Königin und der ganze Hofstaat ...
Und da wurde die Hochzeit des Königssohns mit dem Dornröschen in aller Pracht gefeiert, und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende.
Märchenerzählerin Hilde Matalla
Interpretation: Pfr. Christian Trappe
Es spielten KonfirmandInnen aus Lippoldsberg:
Viola Seguin - Hexe, Janina Beckmann - Hexe, Jennifer Spindler - 13. Hexe, Michelle Franz - Hexe, David Pape - König, Ida Riedel - Königin, Lena Rosenthal - Königstochter, Michelle Franz - Königssohn, Björn Otte - Koch, Raoul Reitemeyer - Küchenjunge