Adventskonzert 2011
Bachs Weihnachtsoratorium in der Klosterkirche St. Georg
(Bericht der HNA vom 12.Dezember 11 - Markus Löschner)
Lippoldsberg. Von Größe und Schlichtheit sprach Pfarrer Christian Trappe in seinen einleitenden Worten vor der Aufführung des Bachschen Weihnachtsoratoriums in der Klosterkirche St. Georg.
Das Werk und der Aufführungsort passten also sehr gut zueinander, wenn man im Falle des Weihnachtsoratoriums die Schlichtheit in der Eingängigkeit der Themen begründet sieht. Und in der Nachvollziehbarkeit des musikalischen Geschehens durch zahlreiche kunstvoll ausgestaltete Verbindungen, die die formal unterschiedlichen Elemente des Werkes zusammenhalten.
Auch der Signalwirkung, die Pauken und Trompeten der musikalischen Weihnachtsgeschichte verleihen, dürfte das Oratorium die Beschreibung als besonders volkstümliches Werk zu verdanken haben.
Große innere Dichte
Was der Aufführung in Lippoldsberg ihre große innere Dichte verlieh, waren zum einen die konstante hohe Leistung und das sichere Zusammenspiel der Musiker und Sänger über die eineinhalb Stunden der ersten drei Teile des Werkes.
Außerdem fand Kantorin Elisabeth Artelt in ihrer Tempogestaltung eine angenehme Mischung aus barocker Präzision und federnden Rhythmen. Statt harter Akzente und Betonungen zog sie einen immer spürbaren Puls durch die gesamte Aufführung - ob im wunderbar schwingenden Dreiachteltakt der ersten Arie (Bereite dich, Zion) oder in der langsamen Instrumentaleinleitung des zweiten Teils, in der sie nur mit zwei wohldosierten Ritardandi die Aufmerksamkeit der Zuhörer in der voll besetzten Kirche auf das Metrum lenkte.
Nach der Aufführung mehrerer kleinerer Werke im Adventskonzert des vergangenen Jahres zeigte sich die Kantorei St. Georg 2011 auch den Anforderungen des großen Oratoriums voll und ganz gewachsen und klanglich gut ausbalanciert.
Bei den Solisten fügte sich Tenor Jörg Erler, kurzfristig für den erkrankten Benjamin Kirchner eingesprungen, sehr gut in das Ensemble ein und prägte den Part des Evangelisten mit angenehmer Klarheit. Dagmar Jahn (Sopran), Isabell Großmann (Alt) und Alfredo Ihl (Bass) standen ihm nicht nach und glänzten in der Ausgestaltung ihrer Arien.
Eine solide instrumentale Grundlage lieferten die Musikerinnen und Musiker des Concertino Göttingen und Klaus Dieter Kern an der Truhenorgel. Minutenlang anhaltender kräftiger Applaus belohnte alle Mitwirkenden für eine große Leistung und eine besondere vorweihnachtliche Freude.
Über Bachs Weihnachtsoratorium
Das Weihnachtsoratorium gehört zu den volkstümlichsten und berühmtesten Kompositionen von Johann Sebastian Bach und wurde erstmals zwischen Weihnachten 1734 und Epiphanias 1735 in Leipzig aufgeführt.
Das gesamte Weihnachtsoratorium besteht aus sechs Teilen, die die Geburt Christi verkünden. Ihnen liegt das Evangelium nach Lukas und Matthäus zu Grunde. Die einzelnen Teile wurden in den Gottesdiensten an den damals üblichen drei Weihnachtsfeiertagen, zu Neujahr, am Sonntag nach Neujahr und zu Epiphanias musiziert. In der Aufführung am 3. Advent erklingen die Teile I-III.
Der erste bis dritte Teil enthält die bekannte Weihnachtsgeschicht (Lukas 2). Der Bibeltext wird von dem Evangelisten (Tenor) vorgetragen, nur der Verkündigungsengel wird vom Sopran gesungen, die "Menge der himmlischen Heerscharen" (Ehre sei Gott in der Höhe) und die Hirten (Lasset uns nun gehen gen Bethlehem) vom Chor.
Jeder Teil beginnt mit einer Einleitungsmusik, I und III mit groß angelegten Chorsätzen, II mit einer Orchester-Sinfonia, die einen Dialog der Engel (Streicher) mit den Hirten (Holzbläser) darstellt.
In den freien Dichtungen der Rezitative und Arien betrachtet die "gläubig Seele" die einzelnen biblischen Aussagen. Als Stimme der Gemeinde fügt Bach an passenden Stellen vierstimmige Choralsätze des Chores ein, die in ihrer Textausdeutung zum Schönsten gehören, was es an Choralmusik gibt. Der erste Choral "Wie soll ich dich empfangen" wird auf eine Passionsmelodie gesungen und weist so von der Krippe auf das Kreuz; die Weihnachtsbotschaft ist keine Idylle, sondern eine Zusage, die auch in Leiden und Sterben standhalten kann.
Der Gedanke an das Leiden des Gottessohnes äußert sich noch in anderen symbolischen Hinweisen:
Bach wählt die Passionstonart h-Moll für das erste Evangelistenrezitativ "Es begab sich aber zu der Zeit" und für die Arie der Maria "Schließe, mein Herze, dies selige Wunder fest in deinem Herzen ein". Beide Stücke drücken in tiefer Empfindung den inneren Frieden von Weihnachten aus.
Die glänzenden Trompetenklänge dagegen stehen nicht nur für die allgemeine Freude, sondern sie sind ein Königssymbol, das besonders in der Bassarie "Großer Herr und starker König" deutlich wird. Im Mittelteil bei "...muß in harter Krippen schlafen" schweigt die Trompete.
Wenn am Schluß des III. Teils "die Hirten wieder umkehren", dann ist die Weihnachtsgeschichte für die Christenheit nicht zu Ende; Bach wiederholt den Eingangschor "Herrscher des Himmels" und verkündigt in eindringlicher Weise, dass "unsre Wohlfahrt (unser Heil) befestiget steht".
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