Großer Gesang an die Engel
Cosmedin und Seraphim - Gesänge der Hildegard von Bingen
(Bericht der HNA vom 14. September 05 - Nicola Watschong)
LIPPOLDSBERG. Eine Stunde konzentrierte und meditative Konzertatmosphäre erlebten 25 Zuhörer mit dem Ensemble "Cosmedin" am Tag des offenen Denkmals in der Klosterkirche Lippoldsberg. Gesänge der Hildegard von Bingen, untermalt mit zurückhaltenden Klängen östlicher Instrumente wurden interpretiert von Stephanie Haas und Christoph Haas, der auch eigene Kompositionen vorstellte.
Hingebungsvoller Gesang und leise Töne - Ensemble Cosmedin
Hildegard von Bingen, vielen vor allem durch ihre Kräuterrezepturen bekannt, schrieb insgesamt 77 Gesänge, die für den liturgischen Gebrauch bestimmt waren. Kirchenmusikalisch werden sie in die Spätzeit der Gregorianik eingeordnet, entziehen sich aber der gewohnten Ordnung. Melodiemotive werden mit oft unerwarteten Wendungen zu faszinierenden Klangmosaiken zusammengesetzt. Auch die Texte - Bekenntnisse mystischer Versenkung - verfasste sie selbst. Ihre innovativen Kompositionen sprengen den Rahmen der Ausdrucksmöglichkeiten mittelalterlicher Musik. Obwohl sich Hildegard v. Bingen selbst für musikalisch ungebildet hielt, schrieb sie doch Musik, die an die Sängerin allerhöchste Anforderungen stellt. Lange Melodiebögen, gesungen auf einem Vokal mit oft ungewohnten Intervallsprüngen, fordern technische und musikalische Perfektion.
Stephanie Haas - gekonnte Interpretation eigenwilliger Kompositionen
Sängerin Stephanie Haas, die alle Stücke selbst aus der alten Neumenschreibweise in gewohnte Notensysteme übertrug, meisterte diese dichte melodische Ornamentierung mit großer Hingabe und Präsenz. Den für einige Stücke erforderlichen Tonraum von zweieinhalb Oktaven erreichte sie spielend und intonationsrein. Ihre stimmliche Stärke liegt aber deutlich im Mezzosopranbereich, in dem die Melodien und die visionäre Kraft der Texte eine erstaunliche Leuchtkraft erhielten. Stephanie Haas sagt von sich selbst: "Wenn man diese Musik singt, dann muss man sie auch meinen, muss sie inhaltlich ernst nehmen." Sie beschreibt das körperliche und geistige Wohlgefühl, das sie beim Singen der Hildegardlieder empfindet, als einen Zustand der Versenkung und gleichzeitiger Präsenz. Im Mittelpunkt des Abends stand die Komposition "O vos Angeli" - der große Gesang an die Engel, der auch dem Programm den Namen verleiht: Seraphim.
Wieder einmal erwies sich die romanische Basilika als idealer Raum, der auch einstimmigem Gesang große Brillanz verleiht und historische Klangwelten authentisch erlebbar macht. Sie wurden erweitert durch Christoph Haas, Jazzmusiker und Percussionist im Bereich Weltmusik. Er schuf mal zarte, mal rhythmisch peitschende Klänge. Besonders faszinierend die obertonreiche Komposition "Tirmana" für Becken und Röhrenglocken, die in die südindische Rhythmik entführte.
Mit Rahmentrommel und Schellenkranz durchwanderte
und bespielte Christoph Haas den ganzen Kirchenraum.
Die Langhalslaute, gefertigt aus einem Kürbis und ursprünglich persischer Herkunft, untermalte die Gesänge, kam aber auch solistisch zur Geltung. Christoph Haas führte die Zuhörer aus der Stille in eine Welt der leisen Töne - und zum Schluss wieder in eine lang anhaltende Stille zurück.
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