Erfahrung eines weiten Horizonts
Orgelkonzert am letzten Sonntag im Kirchenjahr
(Bericht der HNA vom 30. November 06 - Nicola Watschong)
LIPPOLDSBERG. Totensonntag oder Ewigkeitssonntag - der letzte Sonntag im Kirchenjahr deutet mit zwei ganz unterschiedlichen Namen auf die Spannbreite menschlicher Empfindungen und Hoffnungen hin, wenn es um die "letzten Dinge" im Leben geht.
Diese Kontraste bestimmten auch das inzwischen traditionelle Konzert, das eine Reihe von Gottesdiensten zum Totengedenken in der Klosterkirche Lippoldsberg abschloss. Einem Requiem mit Abendmahl für trauernde Familien am Samstagabend folgte eine Feier am Sonntagmorgen, die schon einen Ausblick auf die tröstliche und strahlende Gegenwart Gottes im Angesicht von Leid und Trauer erlaubte. Am Nachmittag versammelte sich die Gemeinde auf dem Friedhof und zündete Grabkerzen an.
Schattenspiele an den Klangstelen
Abends erklang Orgelmusik aus vier Jahrhunderten, gespielt von Kantorin Elisabeth Artelt. Improvisationen auf den Klangstelen aus 600 Mio. Jahre altem Marmor umrahmten die Klänge der Orgel wie "Klopfzeichen aus der Steinzeit oder wie ein Morsealphabet eines künftigen Universums", so umschrieb Pfarrer Christian Trappe das breite Klangspektrum der Steine, die von Olaf Pyras zum Singen gebracht wurden.
Kurze Texte unterstrichen den Charakter der Kompositionen, deren Verschiedenheit im Spiel der Kantorin lebendig wurde. Ernst, aber kraftvoll und aufrichtend war der Grundtenor nicht nur in Pachelbels Toccata e-Moll. So erzählte eine Passacaglia von Buxtehude mit eindringlichen Tonwiederholungen auf tragendem Bassthema vom steten und unbeirrten Weg eines Menschen, der mit Gott geht.
Böhms Partita zum Choral "Ach wie flüchtig, ach wie nichtig" durchschritt in 7 Variationen nicht nur alle Orgelregister, sondern gleichsam auch ein Leben, das endlich, in seinen Möglichkeiten und Ausdrucksformen aber unendlich ist.
Mit Messiaen und Alain kamen zwei Komponisten des 20. Jahrhunderts zu Wort. "Das himmlische Mahl", eine Meditation von Messiaen, schien aus weiter Ferne herüber zu reichen in unsere menschliche Dimension. Tropfenweise träufelten Töne ins Bewusstsein, eindringlich und dynamisch fortgeführt von Olaf Pyras an den Stelen. Jehan Alains Litanei erzählte von den Wirren des Krieges, unheilvoll und wild chaotisch, doch auch er kündete von der Gewissheit des Glaubens, der "gen Himmel fliegt".
Bachs letztes Werk, die Choralbearbeitung "Vor deinen Thron tret ich hiermit", und die Toccata und Fuge in d-Moll beschworen strahlende Bilder der Ewigkeit herauf. Mit diesem wohl bekanntesten Orgelwerk Bachs wurde noch einmal das Konzept der Klosterkirche deutlich. Der Totensonntag soll nicht in Trauer und Trübsinn enden, sondern Türen öffnen, um getröstet dem Leben neu ins Gesicht zu schauen.
Die Erfahrung dieses weiten Horizonts lockt mittlerweile Menschen aus der ganzen Region zum Konzert am Ewigkeitssonntag in die alte Basilika. NU
[ Aktuell | Kulturtermine Jahresprogramm ]
[ Archiv 2023/2022 | Archiv 2021/2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016 | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 | 2010 | 2009 | 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004 ]