Nutze den Tag ...
Barockkonzert zur Mittsommernacht brachte Leben und Vergänglichkeit in Harmonie
(Bericht der HNA vom 25. Juni 08 - Nicola Watschong)
Lippoldsberg. Viele reden derzeit von schwarz-weißen Bällen. In der Klosterkirche kam am längsten Tag des Jahres ein gelber Ball ins Spiel - die Sonne. In diesen Tagen strahlt sie von ihrem höchsten Punkt am Himmel, bevor allmählich die lichtvolle Zeit wieder der Dunkelheit weicht.
Dieses eindrückliche Wechselspiel bestimmte auch das Programm des sommerlichen Barockkonzerts. Die Musik entstand in einer Zeit, in der die durch Pest und Untergangsstimmung gebeutelten Menschen zwischen Lust am Leben und dem Wissen um Vergänglichkeit hin und her gerissen waren.
Draufgängerische Fröhlichkeit, Sehnsucht nach Harmonie, tänzerische Rhythmen und melancholische Ruhe - all dies drückte sich auch in der Musik aus. "Carpe diem - nutze den Tag" … vielleicht geht die Welt schon morgen zugrunde.
Im religiösen Kontext spiegeln sich aufsteigende und absteigende Kräfte im Wechselspiel zwischen Johannes, dem Wegbereiter, und Jesus, dem Wegbegleiter christlichen Lebens. Die vermeintlich weltlichen Klänge fanden in der kürzesten Nacht des Jahres also durchaus ihr Echo im kirchlichen Raum.
Martina Ehli (Geige), Niels Junge (Cello) und Elisabeth Artelt (Orgel)
warfen sich im Licht zahlreicher Kerzen die barocken Klänge wie gut gezielte Bälle zu.
Das Ensemble spielte mit frischem, unkonventionellem Elan mal als Trio, mal solistisch. Geigenlehrerin Martina Ehli fand sich zu einem Tęte-à-tętes mit Telemann ein und interpretierte seine Fantasie a-Moll mit übermütigem Charme und technischer Perfektion.
Kantorin Elisabeth Artelt brachte u.a. neun Partiten eines Orgelchorals von Pachelbel zu Gehör, deren fünfter Satz ausgesprochen moderne Anklänge mit chromatischen Melodieläufen beinhaltete.
Herausragend gestaltete sich das Zusammenspiel in Corellis "La Follia". In den kurzen Variationssequenzen mit stark wechselnden Tempi und Stimmungen zeigte auch Cellist Niels Junge großes solistisches Können.
Sonaten von Händel und Bach durften im Programm nicht fehlen. Als Höhepunkt und zugleich Schlusspunkt des Konzerts kam Antonio Vivaldi, der Meister des italienischen Barock mit seiner Sonate II A-Dur zu Wort.
Das ganz eigene Flair des Ensembles entsprang einer spürbaren Übereinstimmung im musikalischen Empfinden. Kein Wunder, denn M. Ehli und E. Artelt musizierten schon als Jugendfreundinnen gemeinsam in ihrer Heimatstadt Goslar. N. Junge fügte sich nahtlos in diese Vertrautheit ein.
Pfarrer Christian Trappe dankte den Künstlern dafür, dass sie für ein "Vergelt's Gott" die musikalische Arbeit an der Klosterkirche unterstützten und lud das Publikum nach der stürmisch geforderten Zugabe ein, noch eine Weile die laue Sommernacht auf der neu gestalteten Freifläche vor der Kirche zu genießen.
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