Aus Musikgeschichten wird Musikgeschichte
Vergnügliches und Hintergründiges aus der Welt der Töne
(Bericht der HNA vom 25. Januar 2006 Nicola Uphoff-Watschong)
LIPPOLDSBERG. "Musik definiert sich nur dann als Werk, wenn sie nicht in der Schublade liegen bleibt." Diese Worte kamen aus berufenem Mund. Musikwissenschaftler, Dramaturg, Hörspielautor und Literat Jochem Wolff (Kassel) ließ ausgewählte Werke großer Meister von CD hören und schmückte sie mit heiteren und nachdenklichen Anekdoten aus der Musikgeschichte.
Von der Wiener Klassik bis weit ins 20. Jh. reichte sein Repertoire. Mozart, Händel und Verdi wurden als Appetithäppchen offeriert. So habe der kräftige Händel eine widerspenstige Prima Donna kurzerhand im 3. Stockwerk eines Hauses aus dem Fenster gehalten, bis sie einem Engagement zustimmte.
Manche dieser Kuriosa gehören ins Reich der Legende, gab Wolff zu. Viele zeigten dennoch, dass tiefere Einblicke in die Lebensweise und das Umfeld der Komponisten immer enge Verknüpfungen zwischen Weltgeschehen und Musik offen legen.
Einmischung in die Politik sei bei Komponisten keine Seltenheit gewesen, stellte Wolff anhand der Vitas von Beethoven, Liszt, Berlioz und Grieg klar. Das geschah mitunter durch Umbrüche im Musikstil, die in Fürstenhäusern wahrgenommen und nicht immer gutgeheißen wurden.
Oft waren sie aufrührerisch und verrieten deutlich den Strom der Zeit. Doch auch an klaren Stellungnahmen zu politischen oder gesellschaftlichen Problemen mangelte es bei den Künstlern nicht. So kämpfte Edward Grieg in Norwegen für ein demokratisches Wahlrecht, das 1913 noch vor Deutschland auch Frauen eine Stimme gab.
Auch ein Interpret kam zu Wort - Friedrich Gulda. Der weltbeste Pianist habe es wie kein anderer verstanden, verkrustete Rituale des Musikbetriebes aufzubrechen. Mit bizarren Mitteln sei er unter anderem brachial gegen die zwanghafte Trennung von ernster Musik und Unterhaltungsmusik vorgegangen.
Autor Jochem Wolff zeichnet sein Buch "Zwischentöne" für eine Hofgeismarer
Besucherin der Kulturveranstaltung in der Winterkirche Lippoldsberg.
Jochem Wolff gelang es, in gewählter Sprache ein lebendiges Bild der Musikwelt des 19. und 20. Jahrhundert zusammenzufügen. Persönlichen Randnotizen verrieten seine Faszination für diese Thematik. Eine gute Portion musikalisches und geschichtliches Grundwissen musste man allerdings mitbringen zu dieser reizvollen Lesung.
Der Sprecher bezog sich häufig auf Fakten, die vielleicht nicht jedem bekannt waren. Einzelne Abschnitte der Lesung verwiesen auf das soeben erschienene Buch "Zwischentöne", das Wolff mit Co-Autor Armin Diedrichsen im Bärenreiter-Verlag veröffentlichte.
Auch die Organisatorinnen ließen es sich nicht nehmen,
ein Buch mit persönlichem Eintrag des Autors zu erstehen.
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