Passionsmusik mit Strahlkraft
Lukas-Passion von Telemann begeisterte mit jungen Solisten
(Bericht der HNA vom 27. April 11 - Nicola Uphoff-Watschong)
Lippoldsberg. "Das war das schönste Passionskonzert in der Klosterkirche seit langem", bekundeten viele Besucher, die am Karfreitag die romanische Basilika fast bis auf den letzten Platz füllten.
Auf dem Programm stand die Lukas-Passion, die G. Ph. Telemann 1744 komponierte. 90 Minuten Barockmusik schmeichelten dem Ohr mit erstaunlich gefälligen Klängen in Anbetracht der gewalttätigen Auseinandersetzung und Hinrichtung, von der die Passionsgeschichte erzählt.
Der besondere Reiz der Telemann-Passion liegt in den schnellen Wechseln von Rezitativen, Arien und Choreinsätzen, dies brachte von Anfang an Dynamik in die Aufführung. Das Lukasevangelium erfordert eine vielfältige Rollenbesetzung, die teilweise in kleiner Stimmbesetzung aus den Reihen der Kantorei gefüllt wurde.
Der Chor stellte das Volk dar, das mit Pilatus um die Verurteilung Jesu rang. Aber auch betrachtende Choräle wurden mit viel Stimmeinsatz und Engagement von den Sängern und Sängerinnen vorgetragen. Man merkte ihnen an, dass sie den Bogen, der die tragische Geschichte umspannt, verinnerlicht hatten.
Die mit jugendlichem Elan sehr gut besetzten Solostimmen gaben dem Werk eine Frische, die der abwechslungsreichen Komposition absolut gerecht wurde. Alle Solisten sind noch Studenten, brachten aber neben großem Talent auch schon reiche Gesangserfahrung mit.
Marina Szudras wunderbar klarer Sopran und ihre traumhafte Sicherheit bei den schwierigen Koloraturen begeisterte die Zuhörer. Die Arien verliehen ihr die Rolle der kritischen Beobachterin, die mit fast ironischem Unterton vor den bösen Ränkespielen der Menschen warnte.
Tenor Benjamin Kirchner meisterte die zahllosen, erzählenden Textstellen mit Ausdruckskraft und zumeist verlässlicher Intonation, ganz wichtig für den Chor, der oft aus seinen Schlusstönen die Einsätze ableiten musste.
Sebastian Seitz, der die Rolle des Jesus übernahm, ist als gebürtiger Gieselwerderer vielen in der Region gut bekannt. Die Strahlkraft seiner Stimme wächst deutlich von Jahr zu Jahr, dazu überzeugte er mit sichtbar persönlichem Einsatz und Gespür für seine Rolle. Beiden, Kirchner und Seitz, ist zu wünschen, dass sie in ihrer weiteren Ausbildung ihre Stimmen trotz der schnellen Karriere schonend weiterentwickeln können.
Instrumental wurde das Werk vom Wilhelmshavener Streicherensemble unter Leitung von Matthias Hengelbrock meisterlich begleitet, unterstützt von Judith Gerdes (Oboe), Cécile Bauer (Querflöte) und Peer Schlechta (Orgelpositiv). Die Gesamtleitung hatte Elisabeth Artelt, die mit gradlinigem, ruhigem Dirigat dafür sorgte, dass trotz der schnellen Einsätze keine Hektik aufkam.
Würdig und dem Karfreitag angemessen verklang der letzte Ton in Stille - statt mit Applaus schloss das Konzert mit einem gemeinsamen Gebet.
Über Georg Philipp Telemann
Telemann gehört neben Händel und Bach zu den großen deutschen Komponisten der Barockzeit. Nach ersten Dienstjahren als Kapellmeister an den Höfen in Sorau und Eisenach wechselte Telemann nach Frankfurt, um dort das Musikwesen zu beleben.
Mit 40 Jahren erhielt Telemann eine Anstellung als "director musices" und Kantor in der Hansestadt Hamburg. Dieses Amt war eine der machtvollsten musikalischen Positionen im damaligen Reich, für das Telemann sogar den Ruf an die Thomaskirche in Leipzig ablehnte. Schon bald nach seinem Tod geriet der Meister in Vergessenheit, obwohl er zu Lebzeiten bei seinen Zeitgenossen einen überragenden Ruf genoss.
Seit der Grenzöffnung im Jahr 1989 nimmt das wissenschaftliche Interesse an Telemann stetig zu, dennoch ist vieles aus seinem etwa 3.600 Werke umfassenden Oeuvres weder gesichtet noch veröffentlicht.
Telemann komponierte in seiner Hamburger Dienstzeit in jedem Jahr eine neue oratorische Passionen - insgesamt 46 Stück - , die ab dem ersten Fastensonntag "Invocavit" reihrum in den Hamburger Kirchen zur Aufführung kam.
Die dramatische Lukas-Passion schrieb Telemann 1744.
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