Aus der Erinnerung lernen für die Gegenwart
Mit Gedichten und Musik in der Klosterkirche Lippoldsberg wurde der Opfer des Holocaust gedacht
(Bericht der HNA vom 11.November 2013 - Nicola Uphoff-Watschong)
Lippoldsberg. Bei einem literarisch-musikalischen Abend zum Gedenktag der Reichskristallnacht stellten sich Akteure und Publikum in der Klosterkirche Lippoldsberg den Schatten der Vergangenheit.
© Nicola Uphoff-Watschong (alle Bilder)
Vor dem Licht von sieben Kerzen als Sinnbild der jüdischen Menora lasen Christina Bolte und Christian Trappe Gedichte und Texte von Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942), Paul Celan (1920-1970) und Elie Wiesel (geb. 1928). Florian Oberlechner (Akkordeon), Júlia Vetö und Giso Grimm (Viola da Gamba) setzten musikalische Akzente.
Fakten und Zahlen steckten zu Beginn das unmenschliche Unrecht ab, das an jüdischen Mitbürgern begangen wurde. Worte und Klänge woben dann eine dichte, intensive Atmosphäre.
Angefangen mit poetischen Gedichten, in denen man das literarische Potential der Jüdin Selma Meerbaum-Eisinger erkennen konnte, gingen die fast biografischen Verse zunehmend unter die Haut. Der brutale Einschnitt in den Werdegang eines so jungen Menschen wurde schmerzlich fühlbar. Dies steigerte sich in der beklemmenden Todesfuge von Paul Celan, die von Christina Bolte eindringlich rezitiert wurde.
Christian Trappe wendete sich dem Leben des Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel zu. Seine Berichte sind Zeugnisse der Vergangenheit, weiten aber auch den Blick in eine Zukunft ohne Hass und Vergeltung.
Dennoch: Die seelischen Verletzungen angesichts eines solchen Massenmordes mündeten zwangsläufig in der Frage: "Wo ist nun dein Gott?" Pfarrer Trappe beantwortete diese Frage mit einem gewichtigen Kernsatz: "Wo die Menschlichkeit zerstört wird, da ist Gott bei den Opfern. Und wo Gott mit dem Menschen getötet wird, da stirbt auch sein Widerhall in den Tätern und Gleichgültigen. Es stirbt unsere Seele, wenn wir nicht mit den Opfern fühlen und leiden."
Das beinhalte auch Kritik an einer Kirche, die sich damals von den Leidenden abgewandt und die Augen vor dem Unrecht verschlossen habe, sagte Trappe. Bei einer Kultur des Erinnerns gehe es jetzt nicht um erstarrte Schuldgefühle, sondern um einen an der Härte vergangenen Leids geschärften Blick auf die Gegenwart.
Zwischen den Texten schufen die Musiker mit dem sensiblen Klang ihrer Instrumente nötige Denkpausen, in denen das Gehörte nachklingen konnte. Sorgfältig ausgewählte Eigenkompositionen von Florian Oberlechner, kurze Sequenzen u.a. von Béla Bartók und vor allem das letzte, unvollendet gebliebene Werk J. S. Bachs gaben der Gedenkstunde einen würdigen Rahmen.
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