Die Sprache der Trommeln
Tutschek und Turnbull in Lippoldsberg
(Bericht der HNA vom 17.Mai 06 - Wolfgang Jahn)
Atmosphärisch beleuchtete Bühne unter den Bögen der Nonnenkrypta
LIPPOLDSBERG. Ein faszinierendes Konzert war im Vorraum der Klosterkirche Lippoldsberg zu hören. Tutschek & Turnbull aus Detmold verbanden Flötenklang und Percussion. Musik vom Mittelalter bis zur Gegenwart wurde geboten, verbunden mit viel Improvisation.
Musikalisch kehrt das Mittelalter zurück in die Basilia aus dem 12. Jhd.
Die erste Überraschung gab´s zu Beginn: als Duo angekündigt, kamen die Musiker zu dritt: Weil Irmgard Tutschek mit einer Bronchitis zu kämpfen hatte, musste sie ihr Flötenspiel reduzieren. Zur Ergänzung hatte Mike Turnbull seinen Sohn Joss mitgebracht. Was aus der Not geboren wurde, erwies sich als Bereicherung: Die beiden Turnbulls boten faszinierende Trommel-Duette, wie man sie nur selten zu hören bekommt.
Das ganze begann meditativ: Joss Turnbull, ganz in weiß, schlug einen Gong. Gespenstisch kam aus dem Dunkel vom fernen Altar her das Echo, wo sein Vater ebenfalls einen Gong erklingen ließ. So entwickelten sich die ersten rhythmischen Zwiegespräche, in die sich dann die Flöte mit mittelalterlicher Musik Hildegard von Bingens einschaltete, ebenfalls von sehr weit weg.
Mike Turnbull spielt die Berimbao, Sohn Joss trommelt.
Ganz langsam näherten sich die beiden Musiker, stets weiter musizierend, der Bühne. Mike Turnbull, ganz in schwarz, spielte inzwischen auf der Berimbao, einem archaischen Instrument aus Brasilien - ein Bogen, der mit nur einer Seite bespannt ist. Schließlich fand das Trio auf der Bühne zu einem gemeinsamen Finale zusammen. Die Erkrankte hüllte sich anschließend erst einmal in eine Wolldecke und hörte den beiden Turnbulls zu.
Die setzten ihr Programm fort mit einem faszinierenden Stück aus dem alten Spanien: "La Serena" hat seine Wurzeln wahrscheinlich im 12. Jahrhundert, es verbindet die jüdische, die maurische und die spanische Folklore. Mike Turnbull sang die düster-betörende Ballade um eine spanische Loreley sehr eindringlich. Er begleitete sich auf der Rahmentrommel, ganz wie es der sephardischen Tradition entspricht. Das tragische Ende des Liedes wurde durch ein aufwühlendes Trommelduell am Ende unterstrichen.
Erstaunliche Klangvielfalt erklingt aus einfachen Trommeln
Das Zusammenspiel der beiden Turnbulls war stets präzise, aber trotzdem spontan: Vater und Sohn schienen einander blind zu verstehen. Die Magie alter religiöser Traditionen, bei denen die Trommel Heilung bringt und die Verbindung zur Götterwelt schafft, wurde hier erfahrbar, Mike Turnbull verwies in einem vom Schamanismus inspirierten Solo explizit darauf.
Doch wurden in das faszinierende Konzert auch Elemente anderer Kulturen einbezogen. Der herrliche Klang der Kalimba ertönte, dazu die tiefen Urdu-Kugeltrommeln. Die Gnossienne Nr. 1 von Eric Satie (1866 bis 1925) wurde von der hochvirtuosen Flötenspielerin Irmgard Tutschek gefühlvoll zu Gehör gebracht. Zum Abschluss kam mit einem irischen Traditional sogar Pub-Atmosphäre in die kühle Klosterkirche: Da geriet so mancher Fuß ins Wippen. Nur der sakrale Rahmen verhinderte, dass das Publikum ein Tänzchen wagte. Ein ungewöhnlicher und inspirierender Konzertabend.
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