Ein Brunnen für die Klosterkirche
Die Verbindungen von Sakralbauten und dem Element Wasser sind überaus vielfältig. Denn Wasser ist ein Grundsymbol des Lebens. Oft wurden Heiligtümer bewusst auf Quellen oder an Wasserläufen gebaut.
Kreuzgang Kloster Maulbronn
Und viele Kirchen hatten früher -- im Westen vorgelagert -- einen Brunnen,der an die Ströme des Paradieses in der Schöpfung erinnern sollte (Gen 2,10 ff.), oder zumindest den Taufstein, der an den tiefsinnigen Wasserritus erinnert, mit dem jedes Christenleben beginnt.
Bei einer Kirche, die - wie in Lippoldsberg - St. Georg und Maria gewidmet ist, ist ein Brunnenquell aber geradezu zwingend: Denn die Georgslegende erzählt, dass, nachdem der Ritter den aus einem See entstiegenen Drachen getötet hatte, der König der geretteten Stadt St. Georg und der Maria zu Ehren eine schöne Kirche bauen ließ. Und auf dem Altar - so will es die Legende - entsprang ein lebendiger Quell, der alle Kranken gesund machte, die daraus tranken.
Natürlich hatte das Kloster Lippoldsberg einen eigenen Brunnen, wahrscheinlich im Kreuzgang und - nach dem Muster der Hirsauer Bauschule - als Brunnenhaus gestaltet, wie man es heute noch etwa in Maulbronn wunderbar anschauen kann.
Der für Lippoldsberg neu geplante Brunnen weiß um diese Bezüge, ohne sie historisierend zu imitieren: Der Brunnen soll bewusst nicht vor dem Westwerk und nicht im früheren Kreuzgang (nördlich der Kirche) stehen, sondern wird einer neuen Funktion dienen.
Unter der Akazie soll ein Brunnen auf gepflasterter Fläche entstehen
Auf dem neu entstehenden Kirchhof nördlich des Turms soll der Brunnen ein lebendiger Haltepunkt werden für Menschen, die sich in diesem Bereich länger aufhalten. Dass wir dabei eine bereits bestehende Brunnenbohrung nutzen können und also nicht umgewälztes, sondern "lebendiges Wasser" fließen wird, ist sicherlich ein Glücksfall.
Brunnenmodell von Architektin Bärbel Grimm (Lippoldsberg)
Der Brunnen wird keine Rekonstruktion sein, versucht sich aber auch nicht in krampfhafter Modernität vom übrigen Ensemble abzusetzen, sondern folgt im Sandstein-Material und der zeitlosen Geometrie dem, was auch sonst für die Klosterkirche kennzeichnend ist.
Yoni-Lingam
In der Gestaltung nimmt der Brunnen in schlichtester Weise Formen auf, die christliche Baumeister einst von arabischen Wasserkünstlern gelernt haben und die auch mit der indischen Yoni-Lingam-Symbolik verwandt sind.
Auch in dieser Hinsicht entspricht der Entwurf der traditionsverpflichteten und zugleich weltoffenen Ausrichtung der Klosterkirche Lippoldsberg.