Die Türen und Tore der Klosterkirche
An der Klosterkirche St. Georg und Maria gibt es keine gewaltigen Portale mit ehrfurchtgebietenden Figuren und es müssen keine einschüchternden Treppen überwunden werden.
Der Weg in diese Basilika führte schon immer ein wenig hinab, als ob die Besucher verlockt werden sollten einzutreten. Auch im Innern war man bereits bei der ursprünglichen Anlage bestrebt, die Schranken zurückzunehmen und den Raum für alle weitmöglichst zugänglich zu machen.
Die Kirchengemeinde Lippoldsberg fühlt sich auch heute diesem Konzept einer "offenen Kirche" verpflichtet. Die Basilika ist täglich von 9.00 - 19.00 Uhr, im Sommer meist länger, geöffnet. Und gerade in den letzten Jahren wurden an vielen versperrten Stellen im Außen- und Innenbereich Wege geöffnet.
Der zentrale Eingang von Westen
Besucher, die die Westfassade betrachten, wundern sich oft darüber, dass die zentrale Eingangstür nur als ein kleiner Durchlass gestaltet ist.
Klosterkirche Lippoldsberg - Westeingang
Bei genauerer Betrachtung fallen am Mauerwerk im Mittelteil der Kirche weitere Besonderheiten auf: Erst in etwa vier Meter Höhe beginnt die für den Außenbereich typische raue Steinoberfläche.
Der untere Teil der Mauer hingegen ist so sorgfältig gearbeitet wie man es sonst nur bei Innenwänden findet. Wahrscheinlich war der mittlere Eingang früher nur eine innenliegende Tür, der ein kleiner, überdachter Gang vorgelagert war.
Der Gang führte von der Tür nach links in den Kreuzgang, der im Norden an die Kirche anschloss. Durch diesen Gang konnten die Nonnen vom geschlossenen Klosterbereich, der Klausur, zum Haupteingang der Kirche gelangen. Durch den Abriss dieses Vorbaus wirkt die zentrale Tür heute so unproportional klein.
Das westliche Turmportal
Ein aufwendiger gestaltetes Portal, das den Maßen der Kirche angemessener ist, findet sich seitlich nach rechts verschoben im Sockelbereich des Turms. Die um dies Tor herumlaufende Sockelleiste zeigt, dass es von Anbeginn als fester Bestandteil des Bauwerks vorgesehen war.
Es ist das Stifterportal der Kirche, das außerhalb des geschlossenen Klosterbereichs liegen musste, um für nicht geistliche Personen frei zugänglich zu sein. Die für den wirtschaftlichen Bestand des Klosters wichtige Gruppe adliger Stifter bestand offenbar auf solch einem eigenen repräsentativen Westeingang.
Im Spätmittelalter war an dieses Portal zeitweise ein kleiner Vorbau angeschlossen. Auf den Gemarkungskarten aus dem Jahr 1714 ist jedenfalls ein Haus erkennbar, das westlich unmittelbar an den Turm angrenzt.
Klosterkirche Lippoldsberg - Katasterplan von 1714
Gebäudenamen erscheinen, wenn man mit der Maus über die Grafik fährt
Dieses Bauwerk könnte identisch sein mit dem "Gebäude nahe des Turm", von dem man aus Dokumenten weiß, dass im Jahre 1507 daran gearbeitet wurde. Dieses Bauwerk war dem Nutzen der Priorin und der Gäste gewidmet, diente also gewissermaßen als "Lobby" zu kommunikativen und repräsentativen Zwecken.
Die Aussparungen an der linken und rechten Seite aller nicht in den Klausurbereich führenden Türen lassen noch erkennen, dass man hier früher von innen Kanthölzer einlegte, um die Tür nach außen abzusperren. Besonders an der inneren Turmtür ist dies interessant, wo man mit einen Riegel den Kirchenraum gegen den Turm hin sichern konnte.
Vermauerte Türen im Norden
Klosterkirche Lippoldsberg
Nordportal zur Nonnenempore
An der Nordseite der Kirche findet man eine Reihe vermauerter oder unzugänglicher Türen. Am markantesten ist sicher das große Portal, das heute unerreichbar hoch in der Wand liegt. Dieser Zugang stellte eine Verbindung vom 1. Stock des Klosters zur Nonnenempore her.
Vermutlich konnten die Nonnen so zu den nächtlichen Gebetsstunden auf kurzem Weg vom Schlafsaal (Dormitorium) in die Kirche gelangen, was wegen Dunkelheit und Kälte wichtig war.
Augenfällig ist auch die ehemalige Tür gleich neben dem Turmansatz, die eine Verbindung vom Kreuzgang ins nördliche Seitenschiff herstellte. Eine ähnliche Verbindung, jedoch in Gestalt eines sauber vermauerten Rundbogenportals, findet man, wenn man im heutigen Kirchgraben weitergeht, an der Westwand des nördlichen Querhauses.
Ebenso unscheinbar ist das Rundbogenportal an der Ostwand desselben Querhauses, das jedoch einer anderen Bestimmung diente. Es dürfte der Zugang von der Sakristei gewesen sein, die vermutlich als eigenständiges Gebäude nordöstlich an den Kirchenbau angelagert war.
Die südlichen Türen
Klosterkirche Lippoldsberg
Südwest-Tor
An der Südseite der Kirche gibt es zwei Türen, von denen die westliche, beim Turm gelegene heute der von der Gemeinde am meisten genutzte Eingang ist. Dieses Portal dürfte auch in der Zeit des Mittelalters der Eingang des Volkes gewesen sein.
Damit lässt sich an den Türen die Ständeordnung der mittelalterlichen Gesellschaft ablesen:
- Einer Eigentümlichkeit der Lippoldsberger Klosteranlage zufolge, betrat die arbeitende Bevölkerung die Kirche von Süden her. (Normalerweise hätte dort der Kreuzgang gelegen.)
- Die Adligen kamen von Westen, wo traditionell der Sitz der weltlichen Macht war.
- Die Nonnen hatten ihre Zugänge von Norden (bzw. durch den vorgebauten Gang auch von Westen her); auch der Sakristei-Zugang der Geistlichen lag auf der Nordseite.
- Und - wenn man so will - lag der Zugang Gottes im Osten, wo das Licht der aufgehenden (Oster-)Sonne durch die Chorfenster eintritt.
Klosterkirche Lippoldsberg - Südost-Tor
Die andere an der Südseite gelegene Tür befindet sich in der Mitte der Querhauses. Da sie sehr direkt ins Zentrum führt, dürfte sie weniger als Eingang denn als Ausgang gedient haben. Eventuell war es eine sogenannte Friedhofstür, die nur bei Bestattungen genutzt wurde. Durch dieses Portal könnten die in der Kirche aufgebahrten Särge auf den Friedhof gebracht worden sein, der der Kirche unmittelbar vorgelagert war (heute die freie Rasenfläche im Süden).
Die Millenniumpforte
Im Frühsommer des Jahres 2000 wurde die Bruchsteinmauer nordwestlich des Turms der Lippoldsberger Kirche geöffnet und ein kleines Tor aus Sandsteinen in Form eines romanischen Rundbogens eingesetzt.
Westseite vor der Öffnung
Westseite mit Milleniumspforte
Drei Ziele wurden mit dieser Maßnahme erreicht:
- Der "tote" Winkel an der Westseite wurde belüftet. Dort sammelte sich zuvor Feuchtigkeit, die die Süd-West-Ecke des Turms angriff.
- Das westliche Turmportal (rot gestrichenes Tor), das früher eine wichtige Bedeutung hatte, wurde in seiner Funktion als Zugang wieder erkennbar.
- Und Besuchern wurde die Möglichkeit eines Rundgangs um die Kirche eröffnet.
Klosterkirche Lippoldsberg
Milleniumspforte
Da die Maßnahme im Milleniumsjahr 2000 durchgeführt wurde, wurde auf einem Stein die Abkürzung AD MM (= Anno Domini 2000) eingraviert. MM ist das lateinische Zahlzeichen für 2000 und zugleich der erste und letzte Buchstabe von Millennium (= mille annum).
Eine "Millenniumspforte" also, die als solche symbolisch sein soll für das heraufziehende Jahrtausend. Das Tor verbindet den alten Klosterbezirk und den Lebensraum des Dorfes.
Die Klosterkirche Lippoldsberg soll eine Kirche sein, die sich öffnet, die Gott zugänglich macht, ohne Schwellen und verschlossene Türen. Wohl aber soll es weiterhin Mauern und Zäune geben, eine Umfriedung, die deutlich macht:
Hier beginnt etwas Besonderes. Hier hinter der Mauer ist ein Geheimnis zu finden. Aber es soll eine durchlässige Mauer sein, offen für alle Suchenden.