Sternsinger
Ein christlicher Brauch mit ökumenischer Weite
Einführung
Der 6. Januar ist ein gesetzlicher Feiertag in Bayern und Baden-Württemberg, im vorwiegend katholischen Süden also. Und auch das Sternsingen am Dreikönigstag wird derzeit meist nur in katholischen Regionen praktiziert. Dort ist dieser Brauch in den letzten Jahrzehnten sehr angewachsen und kirchlicherseits auch stark gefördert worden.
Die Sternsingerbewegung ist inzwischen die weltweit größte Hilfsaktivität von Kindern für Kinder geworden.
Inzwischen haben aber auch einige evangelische Gemeinden entdeckt, dass die Sternsingerei eine gute biblische Grundlage hat: Die Erzählung von den drei Weisen aus dem Morgenland (Mt 2,1-12). Das Sternsingen ist eine Möglichkeit, diese alte Geschichte im öffentlichen Lebensraum der Straße alljährlich aufzuführen, sie zu aktualisieren und lebendig zu halten.
Den Kindern, die sich mit den Weisen identifizieren, und den Erwachsenen in den Hausfluren wird vor Augen geführt, dass der Weg nach Bethlehem nicht am Heiligen Abend endet, sondern Folgen hat für unser Leben.
Freilich sollte diese Aktion in ökumenischer Absprache und nicht in Konkurrenz zueinander geschehen. In Lippoldsberg wird das Sternsingen von der katholischen Gemeinde organisiert, während im kleinen Filialdorf Gewissenruh der evangelische Kindergottesdienst zum Sternsingen aufruft.
Erfahrungsbericht
Hintergrund der folgenden "Anleitung zum Sternsingen" ist eine inzwischen langjährige Praxis in dem kleinen hessischen Dorf Gewissenruh. Das Dorf wurde aus dem Kirchspiel ausgewählt, weil es eine überschaubare Größe hat und infolgedessen eine sehr familiäre Gemeinschaft aufweist.
Der Brauch des Dreikönigsingens war den Gemeindegliedern bis 1997 unbekannt, wenn man von der Berichterstattung in den Medien absieht. Einige waren auf Urlaubsreisen in Süddeutschland schon auf das Segenszeichen der Sternsinger an den Haustüren dort aufmerksam geworden.
Die Aktion ist vom ersten Jahr an gelungen: Den Kindern macht das Herumziehen Spaß, auch wenn das Wetter in dieser Zeit fast immer scheußlich ist. Die Hausbewohner nehmen die Gruppe freundlich auf; einige bleiben sogar extra zuhause, um die Sternsinger nicht zu verpassen.
In manchen Häusern bekommen die Sänger neben Geldspenden auch ein paar Süßigkeiten geschenkt, was den Weg durch die Kälte leichter macht, aber noch nicht der eigentliche Anreiz ist.
Der Erlös der Sternsinger-Sammlung wird in Gewissenruh der Aktion "Brot für die Welt" gewidmet, deren Werbekampagne ohnehin jeweils im Advent anläuft. "Brot für die Welt" bietet sich an, weil die fremdländischen Könige auf Länder verweisen, die heute zu den weniger entwickelten gehören. Vor allem der von der Tradition her vorgegebene Mohr erinnert mahnend an die Notstandsgebiete Afrikas.
Die Weisen aus dem Morgenland kommen aber nicht als Bettler, sondern als Vertreter jener fernen, fremden Kulturen, die lange vor uns zum christlichen Glauben gefunden haben. Sie sind wie ältere Geschwister, die uns auffordern mitzukommen und im Geist Christi zu leben und zu handeln: unseren Wohlstand zu teilen mit denen, die Not leiden.
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