Inzens - die Weihrauchstraße in den Himmel - 1
Kathmandu - Fremderfahrung
Kathmandu, 7. März 1997
Nach Einbruch der Dunkelheit ist die Makhanstraße vollgestopft mit Fahrrädern und Menschen; bisweilen zwängt sich sogar ein Auto durch das düstere Gewimmel. Straßenbeleuchtung gibt es kaum, aber ein wenig Licht fällt aus Geschäften und den zahllosen Tempeln auf die Gasse.
Tempelfeuer
Vor einem der Tempel lodert heute am Shivratri-Fest ein großes Feuer. Die Menschen drängen sich, in Rauchschwaden gefüllt, um den Eingang des Heiligtums. Über ihren Köpfen sind gerade noch die schwarz-weißen Fliesen des Innenraums zu sehen, aber der Blick auf den Shiva-Altar bleibt verborgen.
Das Kultbild wäre ohnehin nur schwer zu erkennen gewesen, denn es ist über und über bedeckt mit einem unvorstellbarem Gemenge aus Wasser, Blüten, Reis, Kokosmilch, Straßenstaub, Farbpulver, Geld und Taubenkot. Ohne priesterliche Vermittlung treten unter Worten und Glockenklängen, mit Gesten des Berührens und Sich-Verbindens immer neue Menschen vor.
Räucherritual
Auf sorgfältig arrangierten Tabletts tragen sie Opfergaben, um den dargestellten Gott wieder und wieder damit zu bewerfen, zu berühren. Sie entzünden "Butterlämpchen", von denen neben warmem Licht auch schmale Rußfäden aufsteigen. Und sie verbrennen Räucherwerk, dass das ganze Geschehen in eine betörend süßliche Atmosphäre hüllt.
Es ist wohl kein Zufall, dass ich erst unter dem Eindruck einer Nepalreise begonnen habe, die Dimension des Geruchs im christlichen Ritus genauer wahrzunehmen.
Ohne äußeren Anstoß kommt man im evangelischen Raum kaum darauf, sich mit der chemischen Seite der Religion zu beschäftigen. In den vielen neuen Liturgiken jedenfalls findet man über odoratische Aspekte fast nichts.
Selbst in der ansonsten so sinnenfreundlichen Einführung in den Gottesdienst von Manfred Josuttis gibt es keinen eigenen Abschnitt über das Riechen. Das ist kein Zufall, sondern vielmehr typisch für die Welt der Düfte. Denn obwohl uns die Nase ständig vor Augen steht, nehmen wir Gerüche kaum bewusst zur Kenntnis und machen uns vor allem keinen Begriff davon.
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