Inzens - die Weihrauchstraße in den Himmel
8. Weihrauch als Heilmittel
"Wohlgeruch war und ist für den Menschen stets mit der Empfindung des Wohlbefindens eng verknüpft. Wohlbefinden ist gleichbedeutend mit Gesundheit. Das heißt, was Wohlbefinden hervorzurufen vermag, ist damit in einem gewissen Sinn zugleich auch Arznei." (Dieter Martinetz)
Mit dieser schlichten Formel wird vielleicht verständlich, warum der aromatherapeutische Ansatz in der Medizin vergangener Zeiten eine so weite Verbreitung hatte. Medizinische und magisch-apotrophäische Vorstellungen waren dabei oft unlöslich miteinander verbunden.
Insbesondere dem Weihrauch, der seit alters her die Sakralräume erfüllte und insofern eng mit der Sphäre des Heiligen verbunden war, traute man auch körperheilende Kräfte zu. So wurden bei vielen Gebrechen von Ärzten Weihraucharzneien verabreicht , und die Menschen holten sich in der Hoffnung auf körperlich-seelisches Wohlergehen den harzigen Stoff auch selbst nach Hause.
Zur Zeit der Pest verwendete
Pfanne zum Räuchern
Die sogenannten "Rauh-" oder "Rauchnächte", die die Tage nach der Wintersonnenwende markieren, erinnern daran, dass man in dieser als kritisch empfundenen Zeit Häuser und Stallungen mit der heilsam reinigenden Räucherpfanne abging.
Heutzutage weisen die Mediziner dem Geruchssinn und den Gerüchen nicht mehr die gleiche prophylaktische und therapeutische Bedeutung zu. Und gegenüber der derzeit enthusiastisch wiederauflebenden Aromatherapie ist eine kritisch prüfende Betrachtung sicher angebracht.
In Bezug auf den Weihrauch allerdings wurde inzwischen empirisch nachgewiesen, dass er eine desinfizierende, also auch körperlich reinigende Wirkung hat. In einer von Weihrauch erfüllten Atmosphäre werden Bakterien abgetötet. Sogar lindernde Heilwirkungen konnten mittlerweile nachgewiesen werden, u.z.:
- bei entzündlichen Krankheiten
- vor allem bei rheumatischen Beschwerden
- und sogar in der unterstützenden Behandlung bei bösartigen Hirntumoren
Die Vorstellung, dass bei den gottesdienstlichen Menschenversammlungen vergangener Zeiten die reinigende Wirkung des Weihrauchs auch in ihrem bakteriziden Aspekt wichtig gewesen sein dürfte, erinnert daran, dass sich demgegenüber in unserer des-odorierten Gesellschaft Wesentliches verschoben hat.
Konnte man im Paris des Jahres 1780 die Kirchen wegen des Leichengestanks der darin Begrabenen kaum betreten, so ist heute in Kirchenräumen selbst das Aufbahren von Leichen (außer bei geregelten Ausnahmefällen) gesundheitspolizeilich untersagt.
Kranken - und Sterbelager in einem Kirchhospital des Mittelalters
Kranke, die in anderen Kulturen verstärkt heilige Orte aufsuchen, bleiben unseren Kirchen lieber fern, um nicht mit ihren Gebrechen aufzufallen. Weinende Rußlanddeutsche, die ihre Trauer in den Gottesdienst mitbringen, werden als Störung empfunden. Und City-Pfarrer beklagen sich öffentlich bei der Stadt, wenn es in den Winkeln der Außenmauern ihrer Kirchen nach Urin stinkt.
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