Inzens - die Weihrauchstraße in den Himmel
11. Weihrauch als "Opium" des Volkes
Drogen haben - natürlich rituell gebunden - eine gewisse religiöse Tradition , die bis in den Gottesdienst der Kirche hineinreicht.
Formel des Haschischwirkstoffs THC,
der auch beim Verbrennen von
Weihrauch entstehen kann
Vor diesem breiteren Hintergrund wirkt es nicht mehr ganz so skandalös, festzustellen, daß es eine Verbindung zwischen Weihrauch und Cannabis gibt. Chemische Analysen des Harzes vom Boswellia-serrata-Strauch haben ergeben, daß Weihrauch die Stoffe Olivetol und Verbenol enthält, die sich durch Reaktion im Zuge der Räucherung verbinden können zu dem Haschischwirkstoff Tetra-hydro-cannabinol (THC).
Olibanumharz
Den Entdeckern dieses Zusammenhangs ging es nicht darum, den Weihrauch beziehungsweise das Olibanumharz als "gefährliche" Droge zu diskreditieren. Das wäre schon insofern nicht sachgemäß, als der Stoff bei der Räucherung nur in einer geringen Dosis aufgenommen wird. Durch den Hinweis auf THC aber werden unscharfe Formulierungen der Meditationsliteratur verständlicher; dort schreibt man dem Weihrauch z.B. eine "tiefentspannende und zentrierende Wirkung" zu.
Vor allem jedoch tut sich hier eine Tür auf, hinter der eine vergessene Qualität des Gottesdienstes sichtbar wird. Wenn sich die Liturgie bewusstseinsverschiebende Effekte zunutze macht, dann zielt die gemeinsame Feier auf ein Geschehen, das der letzten, absoluten Kontrolle durch das Tagesbewußtsein enthoben ist. Zugleich vermag sie andere, verborgene Lebensbereiche aufzuschließen, z.B. solche die eher Traumqualität haben.
Natürlich ist auch die Musik ein liturgisches Element, das die Teilnehmer eines Gottesdienstes in transrationale Bereiche hinüberleitet. Die Beschäftigung mit dem ungewohnten Phänomen Weihrauch macht nur deutlich, was sonst gern verdrängt wird: Dass es auch bewusstseinsauflösende Wirkungen des Religiösen gibt, die ein Recht haben - auch wenn die Vernunft dagegen Einspruch erhebt.[ zurück zu "Rituale" | Übersicht | weiter ]