Inzens - die Weihrauchstraße in den Himmel
15. Womit wird geräuchert?
Weihrauchhändler und Pfarrer
Verhandlungen über die Qualitäten
von Weihrauch
Weihrauch ist das ätherische Harz (Olibanum) des Weihrauchbaums oder -strauchs (Boswellia). Es gibt nicht "den" Weihrauch, sondern eine große Vielfalt von Harzen, die in ihrer Zusammensetzung stark variieren können und zudem in unterschiedlichen Mischungen angeboten werden. Ähnlich wie bei Wein, Parfum oder Tabak gibt es auch beim Weihrauch verschiedene Qualitäten.
Wenn Menschen von dem Rauch schlecht wird, so ist das (sofern nicht sozialisationsbedingte Traumatisierungen der Grund sind) eine Frage der Qualität. Empfindsame Leute berichten davon, daß ihnen auch ein schlechtes Parfum "buchstäblich Übelkeit erregt".
Schlechter Weihrauch kann neben Unwohlsein auch eine Reizung der Stimmbänder hervorrufen, während einige Sänger vor dem Auftritt qualitativ hochwertigen Weihrauchduft einzuatmen pflegen, um Stimmbandentzündungen vorzubeugen.
In vielen katholischen Kirchen wird - wohl aus Kostengründen - sogenannter "Friedhofsweihrauch" verwendet, ein Gemisch von geringerer Qualität, das eigentlich für den Gebrauch außerhalb geschlossener Räume gedacht ist. Das eigentliche "Olibanum", bei dem niemandem schlecht wird, kann man z.B. über die Apotheke im pharmazeutischen Großhandel bekommen.
In den orthodoxen, und dort vor allem in den orientalischen Kirchen ist die Differenzierung der Geruchskultur hoch entwickelt; hier werden mitunter zu den einzelnen Kirchenjahreszeiten verschiedene Weihraucharten verwendet.
Auch innerhalb eines Gottesdienstes läßt sich mit Weihrauch differenzierend spielen, wie z.B. Michael Pfeifer es vorschlägt:
"Die eröffnende Räucherung mit einem herben, kalten Duft zur Reinigung, einem süßeren, aber dennoch leichten zum Evangelium ... Eine Steigerung erfährt dies noch in der Duftnote zum Einzug der Gaben und gipfelt etwa im schweren Rosenweihrauch nach der Epiklese."
Doch Vorsicht: Derartige "Odoramen" sind aber auch problematisch. Man braucht fast schon die "Nase" eines Parfumeurs, um die verschiedenen, sich nacheinander entwickelnden Noten unterschiedlicher Düfte so auszuwählen, daß sie sich am Ende zu einem harmonischen Ganzen verbinden.
Klostergarten Assissi, Italien
Die Kunstform des Odoramas, also eines "Duftkonzerts" oder "Geruchsfilms", wurde zwar immer wieder mal versucht, hat aber bislang nur recht befremdliche Ergebnisse erbracht. Die differenzierte Stofflichkeit und relative Trägheit der Düfte lassen erahnen, warum es den Machern virtueller Multi-Media-Welten so schwer fällt, die olfaktorische Dimension in ihre sensorischen Ensembles wirklich zu integrieren.
Die Erfahrung wechselnder Aromen wird sich also noch eine ganze Weile eher im Flanieren z.B. durch einen Kräutergarten erleben lassen. Vielleicht könnte man odoramatische Phantasien ja besser in der Gestaltung des Kirchgartens ausleben.
Düfte können im Gesamtkunstwerk der Liturgie wie ein "Bordunton" in der Musik eingesetzt werden. Wie ein solcher stehender Ton wird die Duftnote von den Sinnen mit der Zeit immer weniger wahrgenommen, hat aber trotzdem eine leicht hypnoide Kraft, die beruhigend auf das Bewußtsein wirkt und eine tranceähnliche Offenheit fördert.
Der Weihrauch hat gegenüber anderen Geruchsstoffen, wie sie z.B. im kommerziellen Bereich in unscheinbaren Verströmern eingesetzt werden, den Vorteil, daß die Manipulation offengelegt wird.
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