21. Sonntag nach Trinitatis
Liebe
Lutherrose
Nachdem am 18. und 20. Sonntag nach Trinitatis die Gebote Gottes im Mittelpunkt standen, geht es am 21. Sonntag nach Trinitatis noch einmal um das Liebesgebot; nun allerdings in der für Jesus typischen radikalen Zuspitzung.
Gedanke
Glück ist es,
auch das zu lieben, was man tun muss,
und nicht nur das, was man tun will. (aus England)
Evangelium
Feindesliebe (Mt 5, 38 ff.)
Ihr habt gehört, dass gesagt ist: "Auge um Auge, Zahn um Zahn."
Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel,
sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt,
dem biete die andere auch dar.
Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen,
dem lass auch den Mantel.
Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.
Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem,
der etwas von dir borgen will.
Ihr habt gehört, dass gesagt ist:
"Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen."
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die,
die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.
Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute
und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Interpretation
Yvonne Bönisch im Kampf
mit Yurisleidis Lupetey
Es gehört zum Wesen fernöstlichen Kampfsports, dass nicht die eigene Kraft im Vordergrund steht. Entscheidend ist das Spiel mit den Stärken und Schwächen der anderen. So wie eine Judokämpferin einem Angriff ausweicht, indem sie zunächst nachgibt und die gegnerische Kraft verstärkt, schlägt Jesus vor, einen erzwungenen Weg noch eine zusätzliche Meile mitzugehen. Dieses unerwartete Handeln löst das Reiz-Reaktions-Schema auf und durchbricht die Spirale von Gewalt und Gegengewalt.
Auch jenseits solcher sportlichen oder meditativen Übungen sind wir mit unseren Feinden wie Partner in einem Tanz verbunden. Feinde machen uns Angst, weil sie uns an unsere schwachen Stellen heranführen. Aber gerade das sind die Punkte, an denen wir innerlich wachsen können. Jesu Herausforderung, unsere Feinde zu lieben, ist mehr als nur eine gute Moral. Jesus zeigt einen mutigen Weg, der das eigene Leben und damit indirekt auch die Welt um uns verändern kann.
Derzeit ist das Wort "Liebe" meist besetzt mit einer bestimmten Gefühlslage zwischen Mann und Frau. Das ist eine Engführung, die dem großen Wort nicht gerecht wird. Zunächst einmal ist Liebe kein Gefühl. Wenn es so wäre, könnte sie keinen Bestand haben. Denn Gefühle leben von der Bewegung, von der Veränderung. Liebe ist nicht ein Gefühl, sondern viele Gefühle.
Das überschäumende Verliebtheit des Anfangs, der Zauber der Erotik, die entgrenzende Erfahrung körperliche Lust, bei der wir in der Auflösung unser kleines Ich einen Vorgeschmack himmlischer Freude erleben, das gehört natürlich zur Liebe dazu.
Aber auch im Durchhalten des unspektakulären Alltags begegnet uns Liebe. Sie ist da, wenn die Mutter am Bett des fieberkranken Kindes wacht, oder wenn man einem anderen Unverzeihliches verzeiht.
Liebe ist die Kraft, die alles mit allem verbindet. In diese Kraft hineinzuwachsen, die Haltung der Liebe in immer weitere Bereiche zu tragen, ist eine lebenslange, schwierige und große Aufgabe.
Kontext
Spricht der Verstand:
Der Richtungen, die sechs,
sind Grenze, Ende!
Die Liebe spricht: Nein!
Wege gibt´s, ich bin sie oft gegangen.
(Mevlana Celaleddin Rumi,
Begründer der tanzenden Derwische)
Komm, komm,
wer immer du sein magst
Heide, Muslim, Parse,
wer immer du sein magst.
Komm, auch wenn du deine Schwüre
schon tausendmal gebrochen hast
Dies ist nicht die Karawane der Verzweiflung.
Komm, und noch einmal: Komm.
(Mevlana Celaleddin Rumi)
Gebet
O Herr,
mach mich zum Werkzeug deines Friedens,
dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,
dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt,
dass ich verbinde, da, wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht,
dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt,
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,
dass ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,
dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten:
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer da hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben.
nach Franziskus von Assissi
Gedicht
Im Zitronengarten - Emil Nolde
Es ist Unsinn,
sagt die Vernunft,
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist Unglück,
Sagt die Berechnung,
Es ist nichts als Schmerz,
sagt die Angst,
Es ist aussichtslos,
sagt die Einheit,
Es ist was es ist,
Sagt die Liebe.
Es ist lächerlich,
sagt der Stolz,
Es ist leichtsinnig,
sagt die Vorsicht,
Es ist unmöglich,
sagt die Erfahrung.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
(Erich Fried)
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