Christi Himmelfahrt
Die wahre Dreiheit in der wahren Einheit
Hildegard von Bingen
Der Tag der Himmelfahrt Christi wird stets an einem Donnerstag begangen, weil - den Angaben der Apostelgeschichte zufolge - die Himmelfahrt am 40. Tag nach der Auferstehung Jesu am Osternsonntag geschah.
Die Zahl 40 ist in der Bibel eine symbolische Zahl. Sie markiert jeweils Zeiten des Übergangs: 40 Jahre lang wandert das Volk Israel nach der Befreiung aus Ägypten durch die Wüste, bevor es das gelobte Land erreicht. 40 Tage fastet Jesus nach seiner Taufe in der Wüste, bevor er seine öffentliche Tätigkeit beginnt. Und während einer Spanne von 40 Tagen nach Ostern erscheint Jesus seinen Jüngern jeweils noch in der ihnen vertrauten Gestalt, bevor sich seine Auferstehung mit der Himmelfahrt vollendet.
Evangelium
(Lk 24,50-51)
Jesus führte die Jünger hinaus bis nach Betanien
und hob die Hände auf und segnete sie.
Und es geschah, als er sie segnete,
schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Interpretation
Die Himmelfahrt Christi ist kein einzigartiger Vorgang. Neben den zahlreichen Himmelsreiseberichten und Entrückungserzählungen von mythischen Helden der Antike handeln, gibt es auch mindestens ein ausgeprägtes alttestamentliches Vorbild: die Erzählung von der Himmelfahrt des Elia (2.Kön 2,1-18).
Elia fährt in einem feurigen Wagen gen Himmel
Die Geschichte der Himmelfahrt Jesu ist eine alten Modellen nachgestaltete Mythenbildung des Neuen Testaments. Gerade wenn man die Entrückung Jesu in den Himmel nicht als historischen Tatsache versteht, wird der Blick frei für den eigentlichen Sinn dieser Geschichte. Denn der Himmel, in den Christus aufgenommen wurde (engl. heaven), ist jedenfalls nicht der blaue Himmel über uns (engl. sky).
Der Evangelisten Lukas schuf mit der Himmelfahrterzählung einen bewussten Kontrapunkt zu seiner Weihnachtsgeschichte. An Weihnachten wird Gottessohn als Mensch geboren, an Himmelfahrt wird der Menschensohn Jesus wieder in die Sphäre Gottes erhoben. Er kehrt zurück in die Transzendenz, aus der er gekommen ist.
Altar Bad Wildungen - Christi Geburt
Altar Bad Wildungen - Christi Himmelfahrt
Die Himmelfahrtsgeschichte stellt eine Verbindung her zwischen dem irdisch begrenzten Leben Jesu und der Gestalt Christi als einem Wesen von kosmischer Weite. Seltsamerweise kommt er uns durch diese Entrückung auf neue Weise nahe. Denn in Christus den All-Herrscher (Pantokrator) zu sehen, eröffnet die Möglichkeit, ihn in allen Dingen zu entdecken.
Mit der Himmelfahrtsgeschichte wird der Weg Jesu, also der Weg durch den Tod zum Leben, zum kosmischen Prinzip erhoben. Seine Lebensbewegung ist die Bewegung, der alle Dinge unterworfen sind. Alle Dinge führen uns am Ende zu ihm.
Im westlichen Christentum ist die Himmelfahrtssymbolik - infolge der harten Auseinandersetzungen mit der Naturwissenschaft in der Neuzeit - weitgehend verloren gegangen. Eine Wiedergewinnung der kosmischen Dimension des Glaubens wäre wichtig sowohl für einen heilsamen Umgang mit der Schöpfung als auch zur Öffnung für eine mystischen Erfahrungen (siehe auch: Matthew Fox: Vision vom kosmischen Christus, Stuttgart 1991).
Epistel
Hymnus aus dem Philiperbrief (Phil 2,6-11)
Christus - Pantokrator
Weltenherrscher
Christus, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Lied
Jesus Christus herrscht als König (EG 123)
Christus als Weltschöpfer
mit einem Zirkel misst er den Erdkreis aus
1. Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig,
alles legt ihm Gott zu Fuß.
Aller Zunge soll bekennen,
Jesus sei der Herr zu nennen,
dem man Ehre geben muß.
2. Fürstentümer und Gewalten,
Mächte, die die Thronwacht halten,
geben ihm die Herrlichkeit;
alle Herrschaft dort im Himmel,
hier im irdischen Getümmel
ist zu seinem Dienst bereit.
3. Gott ist Herr, der Herr ist Einer,
und demselben gleichet keiner,
nur der Sohn, der ist ihm gleich;
dessen Stuhl ist unumstößlich,
dessen Leben unauflöslich,
dessen Reich ein ewig Reich.
Gebet
Groß ist unser Gott und groß seine Macht
und seine Weisheit ohne Ende.
Lobt ihn, ihr Himmel,
lobt ihn, Sonne, Mond und die Planeten
in der Sprache, die euch gegeben ist,
euren Schöpfer zu loben.
Lobt ihn, ihr himmlischen Chöre,
lobt ihn, ihr Erforscher dieser Harmonien,
und auch du, meine Seele, singe,
singe die Ehre des Herrn, solange es dir vergönnt ist.
Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge,
das, was uns bekannt ist,
und das, was wir noch nicht kennen.
Ihm sei Lob, Ehre und Preis
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen
Johannes Kepler
Gedanken
Wenn Christus auf Erden und sichtbar vor den Leuten geblieben wäre, dann hätt er nicht soviel schaffen können. Denn es hätten nicht alle Leute bei ihm sein und ihm gehören können. Darum hüte dich zu denken, er sei nun weit fort von uns! Im Gegenteil, als er auf Erden war, war er uns zu fern, jetzt ist er uns nah. Aber die Vernunft kann das nicht fassen, wie das zugeht. Martin Luther
Halt an, wo läufst du hin?
Der Himmel ist in dir!
Suchst du ihn anderswo,
du fehlst ihn für und für. Angelus Silesius
Brauchtum
Ausflugslieder wie "Geh aus mein Herz" oder "Wie lieblich ist der Maien" sind seit langem mit dem Himmelfahrtsfest verbunden, der vielerorts mit einem "Gottesdienst im Grünen" begangen wird.
Auch gehört die "Fahrt ins Blaue" für viele zum festen Bestand dieses vom Frühlingszauber mitgeprägten Tages. Allerdings: Wenn die Herrenpartie am "Vatertag" in einem dumpfen Rausch versumpft, wird die angestrebte Weite von Christi Himmelfahrt zu kurz geschlossen. Zwar gehören Rausch und Ekstase seit jeher zum Erfahrungspotential der Religionen, aber der religiöse Rausch führt Menschen über die Grenzen ihrer Möglichkeit hinaus (vgl. Apg 2,6-13) - und nicht in regressive Zwangshandlungen hinein.
Wer mit seinem Ausflug am Himmelfahrtstag wirklich das alte Fest "begehen" will, tut gut daran, sich von der Idee der Pilgerschaft leiten zu lassen. Pilger (von lat. peregrinus) ist der, "der in die Fremde geht", der sich freiwillig auf Unbekanntes einlässt. Weil Gott groß ist und uns immer wieder neu begegnen will, müssen wir von Zeit zu Zeit aufbrechen aus dem engen Gehäuse der Gewohnheiten, unsere fixen Ideen und beschränkten Vorstellungen hinter uns lassen und uns wieder neu auf den Weg machen, ohne ein festes, vorbestimmtes Ziel, nur um etwas für die eigene Seele zu tun, nämlich uns zu öffnen für Gottes bunte Welt.
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