2. Sonntag nach Trinitatis
Vom Geist der Armut
Die Sonntage nach Trinitatis überspannen die ganze Zeit des Sommer bis in den Herbst hinein. Weil diese Zeit früher stark von der Landarbeit bestimmt wurde, gibt es in ihr keine großen Festtraditionen. Die Trinitatissonntage sind daher thematisch nicht so sehr festgelegt. Dieser Freiraum eröffnet Möglichkeiten zur eigene Gestaltung des Sommers; z.B. lassen sich gut mehrwöchige Predigtreihen zu freien Themen durchführen.
Evangelium
Das große Abendmahl (Lk 14,15-24)
Jesus erzählte einmal:
Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls,
den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen.
Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft
und muß hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft,
und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen;
darum kann ich nicht kommen.
Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn.
Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht:
Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt
und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
Und der Knecht sprach:
Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast;
es ist aber noch Raum da.
Und der Herr sprach zu dem Knecht:
Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune
und nötige sie hereinzukommen, daß mein Haus voll werde.
Denn ich sage euch, daß keiner der Männer, die eingeladen waren,
mein Abendmahl schmecken wird.
Interpretation
Das große Abendmahl
Krönungsevangeliar Speyer
Lukas, dessen Geschichten den Anfang der Trinitatiszeit prägen, ist der Evangelist der Armen. Er steht wie kein anderer biblischer Schriftsteller für die lebenspraktischen, auf sozialen Ausgleich zielenden Aspekte des Christentums. Dementsprechend sind es die Reichen, die Lukas in seinen Gleichnissen immer wieder zur Zielscheibe der Kritik stilisiert. Doch es ist nicht ihr Reichtum, den er anprangert, sondern immer wieder die Besessenheit durch den Besitz. Hier ist es die übergroße Geschäftigkeit, die aus den vielen Gütern erwächst und Menschen davon abhält, dem Ruf des Lebens zu folgen.
Gedanke
Reich wird man nicht durch das, was man besitzt,
sondern mehr noch durch das,
was man mit Würde zu entbehren weiß.
Und es könnte sein,
dass die Menschheit reicher wird, indem sie ärmer wird,
und gewinnt, indem sie verliert. Immanuel Kant
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