Johannis 24. Juni
Sommersonnwende
"Der Johannistag ist eines der vier Christuslichtfeste, durch die sich das Christusjahr in das Naturjahr nicht nur einfügt, sondern es zugleich unter sein heiligendes Gesetz stellt. Wie zu Weihnachten, Ostern und Michaelis spricht die für die christliche Liturgie so bedeutsame Symbolik des Lichtes ihr besonderes Wort. Das Fest fällt in die Höhe der sommerlich, sonnenüberfluteten Zeit des Jahres. Die Kirche feiert an diesem Tage das Gedächtnis Johannes des Täufers als des Vorläufers des Herrn. Von nun an neigt sich das natürliche Jahr abwärts. So muss Johannes abnehmen, damit Er zunehme, der 'mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht' erscheinen wird."
Karl Bernhard Ritter: Die Eucharistische Feier, S.438
Sonnenuntergang über Lippoldsberg
Vom 21. bis zum 24. Juni läuft die Sonne auf ihrer höchsten Bahn. Sie ist stark und kräftig geworden und beschert uns die längsten Tage und die kürzesten Nächte des Jahres. Alles atmet Lebenskraft in dieser Zeit.
Die Sommersonnenwende als Jahreshöhepunkt hat die Menschen schon immer fasziniert. In vielen Völkern und Kulturen werden seit alters her Mittsommernachtsfeste begangen, ebenso wie man die Wintersonnenwende am 24.Dezember feiert.
Auch im Christentum wurden beide Wendpunkte des Sonnenjahrs feierlich begangen, aber jeweils in Verbindung mit einer biblischen Geschichte: Der 24. Dezember gilt seit jeher als Heiliger Abend der Geburt Jesu. Nach der Bibel ist nun das Schicksal Jesu von Anfang an mit dem des Täufers verbunden. Dem Lukasevangelium zufolge (Lk 1,26), wurde Johannes sechs Monate vor Jesus gezeugt. Folglich ist auch sein Geburtstag sechs Monate vor der Geburt des Herrn anzusetzen. Recht zwanglos ergibt sich so der 24. Juni als Johannistag.
Johannes der Täufer - Mathias Grünewald
Isenheimer Altar
Evangelium
(Joh 3,30)
Dies ist das Zeugnis Johannes des Täufers:
Er muss wachsen,
ich aber muss abnehmen.
Interpretation
Die Verbindung der Mittsommernacht mit Johannes dem Täufer mag zunächst merkwürdig erscheinen, auf den zweiten Blick offenbart sich aber ein tiefsinniger Symbolzusammenhang. Der Täufer ist ein "wilder Mann", ein Feuerkopf Wüstenasket. All das passt gut in die warme Jahreszeit. Vor allem aber ist er ein Bußprediger, einer der zur Umkehr ruft, ein Revolutionär. Unser Wort "Revolution" ist ursprünglich ein astronomischer Begriff, der den Umlauf von Himmelskörpern bezeichnet.
Mit der Gestalt des Johannes lässt sich das großen Himmelsgeschehen der Sommersonnenwende auf uns Menschen hin deuten. Wir alle wachsen und müssen wieder vergehen. Wenn wir - wie Johannes - einstimmen in dieses Naturgesetz und uns nicht dagegen stemmen und auflehnen, dann kann Gott in uns Raum gewinnen, wird Christus in uns geboren.
In der christlichen Form erfährt die gemeinreligiöse Sommersonnenwendfeier eine existentielle Vertiefung. Es ist nicht nur das, was die Menschen immer fasziniert, die Feier des Gipfels, der höchsten Kraftentfaltung, sondern ein Feiern im Bewusstsein dessen, was gern verdrängt wird, im Wissen um die Unausweichlichkeit des Abstiegs. Das Lied des Vergehens klingt von fern mitten durch alle Sommerpracht. Nur in dieser Spannung wird aus der Sonnenwende eine runde Sache, ein kosmischer Tanz, in den wir Menschen einstimmen.
Gedicht
Sommersonnenwende
Sie wenden schon wieder das Heu...
Sie wenden
schon wieder
das Heu.
Sie wenden
schon wieder
das Jahr
unterm Wind
hastig
ins Licht,
das der Regen
bedroht und
die wachsende
Nacht.
Sie wenden
und werden
schon bald
selber Gewendete
sein.
Hans Günther Saul
Lieder
Er ist nur halb zu sehen
(zur Melodie "Der Mond ist aufgegangen")
Siehst du den Mond dort stehen
er ist nur halb zu sehen ...
Siehst du den Menschen gehen,
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch gut und schön.
Wenn du dir Mühe machtest
Und auf sein Innres achtest,
Dann kannst du ihn in Wahrheit sehen.
Siehst du den Baum dort stehen,
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch tief und schön.
Denn seine Wurzeln streben
Zur Quelle für sein Leben.
Ach, ob wir Menschen dies verstehen.
Siehst du die Blumen sprießen
Und in die Höhe schießen
zu voller Blütenpracht.
Weil sie so schnell vergehen,
Nur kurz in Blüte stehen,
Gib auf den rechten Zeitpunkt acht.
Siehst du den Berg, den steilen,
Dort darfst du kurz verweilen,
Frei atmen nach der Qual.
Doch willst du Gott dort schauen,
Darfst du nicht Hütten bauen,
Steig runter in das Menschen-Tal.
Siehst du die Sonne kreisen
und ihren Schöpfer preisen
Getreulich Tag für Tag.
Kannst dich auf sie verlassen.
Sie wird niemals verblassen,
Solang zur Nacht der Mond noch scheint.
aus Axel Deneke: Der wilde und der sanfte Hans
Herr des Tanzes
Klangbeispiel: Lord of the Dance1. Ich tanzte an dem Morgen, als die Welt begann
ich tanzte und die neue Schöpfung sang,
ich lebte in Gott, tanzte in dem Sternenzelt
in Bethlehem kam ich als Mensch zur Welt.
Kehrvers: Tanz, tanz, wo immer du auch bist,
tanz für das Leben, für mich spricht Christ.
Ich leite dich, komm in den Kreis hinein,
ich will die Mitte des Tanzes sein.
2. Ich tanzte für die Priester und die hohen Herrn,
doch Freude, Spaß am Leben, Feiern sahen sie nicht gern.
So ging ich zu den Fischern und rief sie aus dem Boot,
sie folgtem dem Tanz, sie vergaßen die Not. Kehrvers
3. Ich tanzte auch am Sabbat und ich heilte trotz Verbot,
ich tanzte mit den Schwachen, wir teilten Zeit und Brot.
Die Priester hatten Angst vor mir, vor meinem Lebenssinn,
weil ich die Mitte des Tanzes bin. Kehrvers
4. Ich tanzte am Karfreitag und der Himmel war voll Schmerz,
es tanzt sich schlecht mit der Dunkelheit im Herz.
Ich mußte sterben, meine Freunde war´n allein,
doch ich bin der Tanz und werde ewig sein. Kehrvers
5. Ich tanzte nach drei Tagen befreiend durch das Land,
ich tanze durch dein Leben und reich dir meine Hand.
Ich tanze in dir, laß mich in dein Herz hinein,
ich will die Mitte des Tanzes sein. Kehrvers
Brauchtum
Johannisfeuer
Die Energie, mit der die Sonne die Erde belebt, wurde seit jeher dadurch dargestellt, dass man ein Feuer entzündete. Sonnenwendfeuer wurden teils auf dem Anger oder Marktplatz angezündet, oft aber auch weithin sichtbar auf den Höhen. Als Johannisfeuer erinnern sie auch an die Gerichtspredigt des Täufers, an notwendige Entscheidungen und Läuterung. Das katholische Benediktionale kennt eine Feuersegnung, die unter anderem am 24. Juni vollzogen werden kann.
Mit dem Johannisfeuer waren auch erotische Aspekte verbunden, die in dieser Hoch-Zeit des Jahres nahe liegen: Junge Paare, die Hand in Hand den Sprung über das Feuer wagten, drückten mit dieser Feuerprobe ihre Sehnsucht sowohl nach Verschmelzung als auch nach Festigung ihrer Beziehung aus.
Auch das Element des Tanz legt sich zu Johannis nahe. Tanzend kann man die Kreisbewegungen der Planeten um die Sonne nachahmen und so das himmlische Geschehen auf der Erde abbilden. Mittelalterliche Schriften bezeugen eine Tanzwut, die zuweilen um den Johannistag herum ausbrach. Sie hatte - ähnlich dem italienischen Tarantella - eine gewisse Ventilfunktion, wurde aber alsbald als Ketzerei, später als Krankheit unterdrückt:
"Die Ergriffenen hatten eine wahre Manie zu tanzen, sie liefen den Ihrigen davon, gesellten sich zu Ihresgleichen, liefen fast nackend, nur mit Blumen bekränzt und einem Gürtel um den Leib, einander an den Händen haltend, durch die Straßen und tanzten, besonders in der Nähe von Kirchen und Wallfahrtsorten, bis sie niedersanken und ihnen der Leib auflief, so dass man ihn umbinden musste. Im Anfang nannte man diese Erscheinung Johannis-Tanz, und erst später wurde die Benennung St.Veits-Tanz allgemeiner. Diese Namen erhielt die Krankheit nicht, weil man diesen Heiligen einen besonderen Bezug zu der Krankheit andichtete, sondern weil der Ausbruch der Krankheit am häufigsten in die Jahreszeit fiel, in welcher die Wallfahrten ihre Richtung zu den Kapellen dieser Heiligen, deren Namensfeste begangen wurden, nahmen." (Enno Nielson (Hg.): Die Hexe von Endor)
Johanniskraut
An diesem Höhepunkt der Jahresentwicklung schreibt man Pflanzen höchste Kraftentfaltung zu. Als besonders heilkräftig gilt in dieser Nacht v.a. das Johanniskraut, das zu dieser Zeit blüht. Einige Wünschelrutengänger schneiden ihre Haselruten in der Johannisnacht. Die Blume des Johannistages ist die erblühte Rose: In ihr verbindet sich die reichste Entfaltung stets mit der Ahnung von Vergänglichkeit.
In Lippoldsberg gibt es seit einigen Jahren den aus dem benachbarten Dorf Wahmbeck übernommenen Brauch eines Johannisbaums. Dieser "Baum" geht wahrscheinlich auf die Form des keltischen Kreuzes zurück. Im Gegensatz zum Wahmbecker Wappen, bei dem Kreuz und Sonnenkreis verbunden sind, wird bei den heutigen Johannisbäumen nur der obere Bogen ausgeführt, der den Sonnenlauf symbolisiert, der mit dem Johannisfest seinen Jahreshöhepunkt erreicht. Der Schmuck aus bunten Bändern und Eierketten steht für Fruchtbarkeit und Lebenskraft der Sommerzeit.
Johannisbaum Lippoldsberg
Hochkreuz Clonmacnoise - Irland
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