5. Sonntag nach Trinitatis
Glaube als Reise ohne Wiederkehr
Die Sonntage nach Trinitatis überspannen die ganze Zeit des Sommer bis in den Herbst hinein. Weil diese Zeit früher stark von der Landarbeit bestimmt wurde, gibt es in ihr keine großen Festtraditionen. Die Trinitatissonntage sind daher thematisch nicht so sehr festgelegt. Dieser Freiraum eröffnet Möglichkeiten zur eigene Gestaltung des Sommers; z.B. lassen sich gut mehrwöchige Predigtreihen zu freien Themen durchführen.
Wenn wir im Sommer als Touristen durch die Welt reisen und dabei nicht einfach nur das Vertraute am wärmeren Strand suchen, dann können wir von den Pilgern früherer Zeiten lernen.
In der Religion geht es um Grenzerfahrungen. Transzendenz, das Jenseitige, begegnet uns, wenn wir den gewohnten Rahmen verlassen, Pilger (von lat. "peregrini" = Fremde) werden.
Was für mich eine Grenzerfahrung ist, ergibt sich jeweils durch die Lage meiner eigenen Grenzen. Eine Reise muss nicht weit sein, sie sollte mich nur über mich selbst hinausführen.
Evangelium
(Lk 14,25-33)
Fresco aus dem Kloster Großes Metéoron:
Wer mit Jesus den Weg des Lebens gehen will,
muss irgendwann das sichere Boot verlassen. (Joh 21,7)
Es ging aber eine große Menge mit Jesus;
Da wandte er sich um und sprach zu ihnen:
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau,
Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.
Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt,
der kann nicht mein Jünger sein.
Wer ist unter euch, der einen Turm bauen will
und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten,
ob er genug habe, um es auszuführen, -
damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann's nicht ausführen,
alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, und sagen:
Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann's nicht ausführen?
Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen
gegen einen andern König
und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat,
ob er mit Zehntausend dem begegnen kann,
der über ihn kommt mit Zwanzigtausend?
Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft,
solange jener noch fern ist,
und bittet um Frieden.
So auch jeder unter euch,
der sich nicht lossagt von allem, was er hat,
der kann nicht mein Jünger sein.
Interpretation
Radikale Worte von dem oft so sanft erscheinenden Jesus. Gegenüber einer großen Menschenmenge, die ihm folgen will, markiert er den Anspruch seines Weges. An anderer Stelle wird er sagen:
"Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert." (Mt 10,34)
Es ist ein kriegerischer Jesus, der hier begegnet, aber keiner, der mit waffenstarrendem Schutz durchs Leben geht, andere bekämpft und ihnen seinen Willen aufzwingt.
Der Mut Jesu ist die Demut, den Kampf mit sich selbst aufzunehmen, die eigenen Untiefen ausloten, die eigenen Ängste und Bequemlichkeiten.
Mit erhobenen Haupt dem Leben zu öffnen, sich auch den schwierigen, schmerzhaften, widrigen Erfahrungen auszusetzen - das ist der Weg Jesu, der eine klare, persönliche Entscheidung voraussetzt. Als Mitläufer einer Herde wird man auf diesem Weg scheitern.
Gedanke
Rabbi Sussja lehrte:
"Gott sprach zu Abraham:
'Geh aus deinem Land, aus deinem Geburtsort,
aus dem Haus deines Vaters in ein Land,
das ich dir zeigen werde.'
Gott spricht zum Menschen:
'Zuvorderst geh aus deinem Land -
aus der Trübung, die du dir selber angetan hast,
sodann aus deinem Geburtsort -
aus der Trübung, die deine Mutter dir angetan hat.
Danach aus deinem Vaterhaus -
aus der Trübung, die dein Vater dir angetan hat.
Nun erst vermagst du in das Land zu gehen,
das ich dir zeigen werde.'"
(aus Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim)
Gedicht
Mit leichtem Gepäck
Gewöhn dich nicht.
Du darfst dich nicht gewöhnen.
Eine Rose ist eine Rose;
aber ein Heim
ist kein Heim.
Sag dem Schoßhund Gegenstand ab,
der dich anwedelt
aus den Schaufenstern.
Er irrt.
Du riechst nicht nach Bleiben.
Ein Löffel ist besser als zwei.
Häng ihn dir um den Hals,
du darfst einen haben,
denn mit der Hand
schöpft sich das Heiße zu schwer.
Es liefe der Zucker dir durch die Finger,
wie der Trost,
wie der Wunsch,
an dem Tag,
da er dein wird.
Du darfst einen Löffel haben,
eine Rose,
vielleicht ein Herz
und, vielleicht,
ein Grab.
Hilde Domin
Lied
Kommt, Kinder, laßt uns gehen (EG 393)
1. Kommt, Kinder, laßt uns gehen, der Abend kommt herbei;
es ist gefährlich stehen in dieser Wüstenei.
Kommt, stärket euren Mut, zur Ewigkeit zu wandern
von einer Kraft zur andern; es ist das Ende gut.
2. Es soll uns nicht gereuen der schmale Pilgerpfad;
wir kennen ja den Treuen, der uns gerufen hat.
Kommt, folgt und trauet dem; ein jeder sein Gesichte
mit ganzer Wendung richte fest nach Jerusalem.
3. Geht's der Natur entgegen, so geht's gerad und fein;
die Fleisch und Sinnen pflegen, noch schlechte Pilger sein.
Verlaßt die Kreatur und was euch sonst will binden;
laßt gar euch selbst dahinten, es geht durchs Sterben nur.
4. Man muß wie Pilger wandeln, frei, bloß und wahrlich leer;
viel sammeln, halten, handeln macht unsern Gang nur schwer.
Wer will, der trag sich tot; wir reisen abgeschieden,
mit wenigem zufrieden; wir brauchen's nur zur Not.
5. Schmückt euer Herz aufs beste, sonst weder Leib noch Haus;
wir sind hier fremde Gäste und ziehen bald hinaus.
Gemach bringt Ungemach; ein Pilger muß sich schicken,
sich dulden und sich bücken den kurzen Pilgertag.
6. Kommt, Kinder, laßt uns gehen, der Vater gehet mit;
er selbst will bei uns stehen bei jedem sauren Tritt;
er will uns machen Mut, mit süßen Sonnenblicken
uns locken und erquicken; ach ja, wir haben's gut.
11. Drauf wollen wir's denn wagen, es ist wohl wagenswert,
und gründlich dem absagen, was aufhält und beschwert.
Welt, du bist uns zu klein; wir gehn durch Jesu Leiten
hin in die Ewigkeiten: es soll nur Jesus sein.
Gerhard Tersteegen 1738
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