6. Sonntag nach Trinitatis
Sonntag der Tauferinnerung
Am 6. und 7. Sonntag nach Trinitatis werden die beiden Sakramente "Taufe" und "Abendmahl" in den Mittelpunkt des Gottesdienstes gestellt.
Leben kommt aus dem Wasser - das sagt die Bibel ebenso wie die Naturwissenschaft. Was für die Entwicklung der Arten gilt, gilt auch für das einzelne Lebewesen.
Für Kleinkinder ist mit einem Bad im warmem Wasser die körperliche Erinnerung an die Zeit im Mutterleib verbunden. Die Psychologen glauben zu wissen, dass der vorgeburtliche Zustand - schwebend, ganz umflossen vom Fruchtwasser, eins mit der Mutter - für das Kind eine sehr positive Erfahrung ist, eine Art paradiesischer Zustand.
Mit dem Zerreißen der Fruchtblase zerbricht diese ursprüngliche Einheit. Die Geburt ist darum auch eine traumatische "Vertreibung aus dem Paradies", bei der das Kind in der Enge des Geburtskanals erste Todesängste erlebt.
Aber selbst wenn sie schmerzhaft ist und angsterfüllt, ist die Geburt doch eine wichtige Erfahrung - und unvermeidlich, damit eigenständiges Leben entsteht.
Fast allen Religionen haben Wasserriten entwickelt, in denen das zwiespältige Ereignis der Geburt nachempfunden wird. Am Anfang des christlichen Lebens z.B. steht die Taufe. Das deutsche Wort "taufen" kommt von "tauchen". Das Eintauchen ist eine Rückkehr ins Unerschaffene, das Auftauchen das Erwachen zu einem neuen Leben. Das "aus der Taufe gehoben werden" ist eine neue Geburt, diesmal schmerzfrei, nicht traumatisch, frei von Todesangst.
Taufe im Ozean
Biblische Lesung
(Röm 6,3-11)
Wisst ihr nicht,
dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind,
die sind in seinen Tod getauft?
So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod,
damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten
durch die Herrlichkeit des Vaters,
auch wir in einem neuen Leben wandeln.
Denn wenn wir mit ihm verbunden
und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod,
so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.
Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist,
damit der Leib der Sünde vernichtet werde,
so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.
Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir aber mit Christus gestorben,
so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,
und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt;
der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen.
Denn was er gestorben ist,
das ist er der Sünde gestorben ein für allemal;
was er aber lebt, das lebt er Gott.
So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid
und lebt Gott in Christus Jesus. Amen
Interpretation
Es wird heute in der Kirche nur selten gewagt, den dunklen Aspekt der Taufe anzusprechen:
Das Untertauchen oder - wie Luther es drastisch nannte - das "Ersäufen des alten Adam". Angesichts der kleinen Kinder, die zur die Taufe gebracht werden, bleiben einem solche Worte zu Recht im Halse stecken.
Andererseits folgt aus dieser Zahmheit der Kirche auch eine gewisse Lahmheit des Glaubens. Denn ohne die bedrohliche Tiefendimension bleibt die Taufhandlung relativ blass. Als Konfirmanden oder spätestens als Erwachsene müssen wir uns auch mit der dunklen Seite auseinandersetzen, wenn die Taufe für unser Leben Bedeutung gewinnen soll.
Zu wirklicher, von Todesangst befreiter Lebendigkeit kann nur gelangen, wer sich der Tatsache stellt, dass das natürlich geborene Leben untergeht. Diese Grundtatsache ist aber wohl nur akzeptabel vor dem Hintergrund eines größeren Lebenswissens, wie es uns mit der Taufe auf den Leib geschrieben wird.
Die Taufe Jesu
Es ist die Lebensbewegung Christi, - hinabgestiegen ist in das Reich des Todes und wiederauferstanden - die wir im Untergetaucht- und Aus-der-Taufe-gehoben-werden nachvollziehen.
Wenn wir diese Lebensbewegung Christi als den Weg unseres eigenen Lebens akzeptieren, dann kann sich unsere Grundhaltung in vielen Punkten ändern. Wir werden uns nicht mehr verzweifelt anklammern an das Erreichte, an Erlittenes oder Verschuldetes, sondern werden fähig, loszulassen, uns fallen zu lassen und uns dem Leben neu zu öffnen. Christsein ist Leben aus der Taufe, ist die Freiheit, immer wieder neu anzufangen.
Gedanke
Ein Christenmensch kann sein Leben Lang in seine Taufe zurückkriechen. Martin Luther
Gedicht
Wir werden eingetaucht
und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.
Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht,
der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch, verschont zu bleiben,
taugt nicht.
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.
Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.
Hilde Domin
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