7. Sonntag nach Trinitatis
Sonntag des Abendmahls
Am 6. und 7. Sonntag nach Trinitatis werden die beiden Sakramente "Taufe" und "Abendmahl" in den Mittelpunkt des Gottesdienstes gestellt.
Abendmahl
Essen und Trinken sind bleibende Grundbedürfnisse des menschlichen Lebens. Gestillt zu werden ist für den Säugling eine umfassende Erfahrung, bei der sich über die körperliche Sättigung hinaus das Gefühl der Verbundenheit mit der Mutter fortsetzt. Das Ausbleiben nährender Zuwendung ruft dementsprechend Ängste hervor, die weit über den körperlichen Hunger ins Seelische reichen: Gefühle von Verlassen- und Ausgestoßensein.
Diese psycho-soziale Dimension bleibt zeitlebens mit der Nahrungsaufnahme verbunden. Gemeinsames Essen und Trinken kann Gemeinschaft stärken, zerbrochene Beziehung wiederherstellen und neue Freundschaft stiften.
Das geschieht in den Pasta-Ritualen italienischer Mütter ebenso wie beim Geschäftsessen, das eine für gemeinsame Vorhaben günstige Stimmung erzeugen soll. Daneben gibt es die Gastfreundschaft, die in vielen Kulturen überlebenswichtiges Ritual war, nämlich als Versicherung nicht-feindlicher Absichten. Und es gibt die erste Dinner-Einladung eines Pärchens, die so unverfänglich scheint und doch ein erste Schritt in Richtung auf Vereinigung ist.
Wie alle menschlichen Grunderfahrungen spielt das Essen natürlich auch im religiösen Kult eine Rolle. In allen Religionen gibt es auf die eine oder andere Weise ein Heiliges Essen. Im Judentum ist es an zentraler Stelle das Passamahl, aber auch das gemeinsame Abendessen zum wöchentlichen Sabbatbeginn.
Auch Jesus hat nicht nur am Tag vor seiner Kreuzigung Abendmahl gefeiert, sondern viele große Mahlzeiten in seinem Leben gehalten. Und seine Jünger und Jüngerinnen haben dabei in vielerlei Hinsicht Entscheidendes gelernt.
Evangelium
Die Speisung der Fünftausend (Mk 6, 32-44)
Jesus fuhr mit seinen Jüngern in einem Boot an eine einsame Stätte für sich allein. Aber man sah sie wegfahren, und viele merkten es und liefen aus allen Städten zu Fuß dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor. Und Jesus stieg aus und sah die große Menge; und sie jammerten ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er fing eine lange Predigt an.
Als nun der Tag fast vorüber war, traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Es ist öde hier, und der Tag ist fast vorüber; lass sie gehen, damit sie in die Höfe und Dörfer ringsum gehen und sich Brot kaufen.
Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen! Und sie sprachen zu ihm: Sollen wir denn hingehen und für zweihundert Silbergroschen Brot kaufen und ihnen zu essen geben?
Er aber sprach zu ihnen: Wieviel Brote habt ihr? Geht hin und seht! Und als sie es erkundet hatten, sprachen sie: Fünf und zwei Fische. Und er gebot ihnen, dass sie sich alle lagerten, tischweise, auf das grüne Gras. Und sie setzten sich, in Gruppen zu hundert und zu fünfzig.
Und er nahm die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel, dankte und brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie unter ihnen austeilten, und die zwei Fische teilte er unter sie alle. Und sie aßen alle und wurden satt. Und sie sammelten die Brocken auf, zwölf Körbe voll, und von den Fischen. Und die die Brote gegessen hatten, waren fünftausend Mann.
Mosaik in Tabgha - Israel
Interpretation
Nicht das reichliche Essen steht hier im Mittelpunkt, auch nicht der moralische Appell zu teilen, sondern die Erfahrung des Vertrauens. Die Jünger lernten:
Wer bereit ist wegzugeben, was man hat, bekommt auch etwas zurück. So wie das Volk Israel in der Wüste vom göttlichen Manna lebte, einer Speise, die verdarb, wenn man sie sammelte, sich aber doch an jedem Tag aufs Neue finden ließ (2.Mose 16).
Bei anderen Mahlzeiten Jesu geht es mehr um die Überwindung von Grenzen. Wie Essen etwas Verbindendes haben kann, so kann es auch genutzt werden, um Menschen auszugrenzen. Auch das hat es in den Religionen immer gegeben: Man denke nur an die fortdauernden Abendmahlsstreitereien der christlichen Konfessionen, die dem heiligen Geist widersprechen. Jesus aß bewusst mit den Menschen, mit denen sich ansonsten niemand an einen Tisch setzen wollte.
Das Abendmahl hat viele Aspekte. Jesus vermachte seinen Jüngern ein "Erbe", indem er sie aufforderte:
"Solches tut, so oft ihr´s trinket, zu meinem Gedächtnis!"
Damit meinte er nicht nur, dass man gelegentlich in der Kirche ein geheimnisvolles Opferritual feiern soll. Es geht um etwas ganz Einfaches, auf das zum Beispiel auch die Sitte des Tischgebets abzielt. Es geht darum, durch eine vertiefte Wahrnehmung das alltägliche Essen als ein Spiegel unseres Lebens zu erfahren:
"Immer wenn ihr euch hinsetzt, um zu essen: Macht euch bewusst, das ihr alle von Gottes Güte lebt, und teilt euer Leben mit anderen."
Gebet
Jüdisches Pessachfest
Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott,
der du die Frucht der Erde erschaffen.
(aus der häuslichen Pessach-Liturgie)
Lied
Einer ist unser Leben (EG 552)
Kehrvers:
Einer ist unser Leben, Licht auf unseren Wegen,
Hoffnung, die aus dem Tod erstand, die uns
1. Viele hungern, die andern sind satt in dieser Welt,
einer teilte schon einmal das Brot, und es reichte für alle.
2. Viele werden verkannt und verlacht und unterdrückt,
einer nahm sich der Wehrlosen an und erbarmt sich der Armen.
3. Viele kennen nur Waffen und Krieg, Hass und Gewalt,
einer lehrt' uns dem Feind zu verzeihn und die Menschen zu lieben.
4. Viele Menschen sind blind oder stumm und wissen's nicht.
Einer machte die Kranken gesund, einer heilte sie alle.
5. Viele zweifeln und glauben nicht mehr, viele von uns,
einer ging wie ein Licht vor uns her in den Tod und das Leben.
Text: Lothar Zenetti
Gedanke
Die Hamburger sind gute Leute und essen gut. Über Religion, Politik und Wissenschaft sind ihre respektiven Meinungen sehr verschieden, aber in Betreff des Essens herrscht das schönste Einverständnis. Mögen die christlichen Theologen dort noch so sehr streiten über die Bedeutung des Abendmahls; über die Bedeutung des Mittagsmahles sind sie sich ganz einig.
(aus H.Heine: Die Memoiren des Herrn von Schnabelewopsky. 1831)
Liturgisches Brauchtum
In der frühesten Gemeinde war der Gottesdienst (Predigt und Gebet) mit einem gemeinsamen Essen verbunden (Apg 2). Allmählich verlor sich der Charakter einer Mahlzeit und das Heilige Essen wurde spiritualisiert, bis nur noch ein winziges Stück Brot und ein klitzekleines Schlückchen Wein übrig blieb.
Durch solche Reduktion und Konzentration kann - ähnlich wie bei der buddhistischen Teezeremonie - durchaus die Sensibilität und Bewusstheit der Teilnehmenden gesteigert werden. Es kann aber auch der existentiale Bezug des Essens dabei verloren gehen.
Neben der notwendigen vertieften Gestaltung des sakramentalen Abendmahls gibt es vielerorts Ansätze, das gemeinsame Essen der Gemeinde (Agape) wieder zu entdecken. Das sollte freilich nicht wiederum als ein "verdünntes" Essen erfolgen (Herumreichen von Weintrauben in den Kirchenbänken), sondern eine richtige Mahlzeit sein.
In der Klosterkirche versuchen wir das auf folgende Weisen:
- einmal monatlich Kirchenkaffee nach dem Gottesdienst
- Weltgebetstag mit Speisen aus dem sich jeweils vorstellenden Land
- Osternacht mit Osterfrühstück
- "Mitgebrachtes Teilen" beim Osterwanderung am Ostermontag
- Gottesdienst im Grünen mit anschließendem Grillen am Himmelfahrtstag
- Brunchgottesdienst zu Pfingsten
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