9. Sonntag nach Trinitatis
Gaben und Aufgaben
Die Sonntage nach Trinitatis überspannen die ganze Zeit des Sommers bis in den Herbst hinein. Weil diese Zeit früher stark von der Landarbeit bestimmt wurde, gibt es in ihr keine großen Festtraditionen. Daher sind die Trinitatissonntage thematisch nicht so sehr festgelegt.
Beim Bau des Münsters in Freiburg
wurden drei Steinmetze nach ihrer Arbeit gefragt.
Der erste antwortete: "Ich behaue Steine."
Der zweite entgegnete: "Ich verdiene Geld."
Der dritte überlegte und sprach: "Ich baue am Dom."
Steinmetz - de Saint Denis
Steinmetz - Lippoldsberg
Evangelium
(nach Matthäus im 25. Kapitel)
Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Menschen, der außer Landes ging:
Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort.
Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.
Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen.
Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!
Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach:
Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen.
Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!
Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach:
Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.
Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.
Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.
Interpretation
Gaben, unsere Begabungen - sind einfach da. Wer weiß woher? Eltern, Zufall, ...?
Jedenfalls kommen sie nicht von uns. Sie sind uns gegeben, wie ein göttliches Geschenk von himmlischen Schönheit. Jeder hat sie. Aber sie werden nicht immer offenbar. Oft schlummern sie im Verborgenen, bleiben unbewusst. Man muss sich "aufmachen", um sie suchen. Sie entdecken.
Die ungewohnte Schärfe Jesu in der Gleichnisgeschichte von den anvertrauten Pfunden will die Hörer aufrütteln: Das Leben nicht dumpf verschlafen, sondern die Gaben einsetzen, mit den Pfunden wuchern. Gaben sind immer auch Aufgaben. Das macht Jesus auch in dem Wort sehr deutlich, das als Wochenspruch zum 9. Sonntag nach Trinitatis gehört (Lk 12,48):
"Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern."
Ein Gabe zu entwickeln, wird immer Hingabe und Opferbereitschaft verlangen. Und manchmal mag man in Zweifel geraten, ob sie Gnade oder Fluch ist.
In diese Situation wirkt der provozierende Satz:
"Wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden." (Mt 25,29)
Dieses für Jesu durchaus ungewöhnliche Wort gibt Erfahrungswissen wider: Man wächst an Aufgaben. Alles was wir tun, fließt auch irgendwie wieder heilsam zu uns zurück - zumindest solange wir es nicht berechnend, sondern aus freien Stücken tun.
Gebet
Gott. Du hast uns verschiedene Gaben geschenkt.
Keinem gabst du alles - und keinem nichts.
Jedem gibst du einen Teil.
Hilf uns, dass wir uns nicht zerstreiten,
sondern einander dienen mit dem,
was du einem jeden zum Nutzen aller gibst.
Aus dem Messbuch
Gedanken
Die Perlmuschel
steigt einmal im Leben an die Wasseroberfläche,
trinkt von dem himmlischen Tau
und den Strahlen der Sonne, des Mondes und der Sterne
dann sinkt wieder auf den Meeresgrund,
um dort die Perle zu gebären,
in der die Lichter des Himmels gespeichert sind.
Plinius der Ältere
Die Gaben Gottes sind sehr verschieden;
und nicht alle Menschen erhalten die gleichen.
Darum soll jeder
auf die ihm verliehene Gabe sorgsam achthaben
und sie mit großer Dankbarkeit zu Gott zurückgießen.
Mechthild von Hackeborn
Geschichte
Der betende Gaukler
Es war einmal ein Gaukler, der tanzend und springend von Ort zu Ort zog, bis er des unsteten Lebens müde war. Da gab er alle seine Habe hin und trat in das Kloster zu Clairveaux ein. Aber weil er sein Leben bis dahin mit Springen, Tanzen und Radschlagen zugebracht hatte, war ihm das Leben der Mönche fremd, und er wußte weder ein Gebet zu sprechen noch einen Psalter zu singen.
So ging er stumm umher, und wenn er sah, wie jedermann des Gebetes kundig schien, aus frommen Büchern las und mit im Chor die Messe sang, stand er beschämt dabei: Ach, er allein, er konnte nichts. "Was tu ich hier?" sprach er zu sich, "ich weiß nicht zu beten und kann mein Wort nicht machen. Ich bin hier unnütz und der Kutte nicht wert, in die man mich kleidete."
In seinem Gram flüchtete er eines Tages, als die Glocke zum Chorgebet rief, in eine abgelegene Kapelle. "Wenn ich schon nicht mitbeten kann im Konvent der Mönche", sagte er vor sich hin, "so will ich doch tun, was ich kann." Rasch streifte er das Mönchsgewand ab und stand da in seinem bunten Röckchen, in dem er als Gaukler umhergezogen war. Und während vom hohen Chor die Psalmgesänge herüberwehen, beginnt er mit Leib und Seele zu tanzen, vor- und rückwärts, links herum und rechts herum. Mal geht er auf seinen Händen durch die Kapelle, mal überschlägt er sich in der Luft und springt die kühnsten Tänze, um Gott zu loben. Wie lange auch das Chorgebet der Mönche dauert, er tanzt ununterbrochen, bis ihm der Atem verschlägt und die Glieder ihren Dienst versagen.
Ein Mönch war ihm aber gefolgt und hatte durch ein Fenster seine Tanzsprünge mitangesehen und heimlich den Abt geholt. Am anderen Tag ließ dieser den Bruder zu sich rufen. Der Arme erschrak zutiefst und glaubte, er solle des verpassten Gebetes wegen gestraft werden. Also fiel er vor dem Abt nieder und sprach: "Ich weiß, Herr, dass hier meines Bleibens nicht ist. So will ich aus freien Stücken ausziehen und in Geduld die Unrast der Straße wieder ertragen." Doch der Abt neigte sich vor ihm, küsste ihn und bat ihn, für ihn und alle Mönche bei Gott einzustehen: "In deinem Tanze hast du Gott mit Leib und Seele geehrt. Uns aber möge er alle wohlfeilen Worte verzeihen, die über die Lippen kommen, ohne dass unser Herz sie sendet."
Nach einer französischen Legende. Aus: Hubertus Halbfaß: Der Sprung in den Brunnen. Eine Gebetsschule
Lied
Warum spielt denn keiner
mit dem dicken Heiner?
Er trifft zwar nicht alle Bälle,
er ist eben nicht so schnelle.
Heiner
Er sah letzten Winter auf dem
Eis 'ne Möwe liegen,
ging zum Tierarzt, gab ihr Futter,
heute kann sie fliegen.
So tierlieb ist sonst keiner
wie der dicke Heiner.
Warum hänseln alle
grad den schwachen Kalle?
Er holt sich zwar selten Beulen,
trotzdem sieht man ihn oft heulen.
Kalle.
Als einmal beim Fußballspielen
doch ein Fenster krachte,
rannten alle, außer ihm,
der es zum Glaser brachte.
So mutig sind nicht alle
wie der schwache Kalle.
Warum spottet jeder
über unsern Peter?
Er trägt eine kluge Brille,
lacht kaum ist meistens stille.
Peter.
Aber er kann Geige spielen
und auch komponieren.
Zu Weihnachten beim Klassenfest
Wird er es dann aufführen.
So was kann nicht jeder,
nur der stille Peter.
Kalle , Heiner, Peter,
solche kennt wohl jeder.
Kinder, die nicht stark,
nicht schnell sind,
Kinder die nicht ganz so hell sind.
Doch lernst du sie richtig kennen,
lässt du sie nicht stehen,
wirst du etwas ganz Besonderes
grad bei ihnen sehen,
Und ihr könnt auf Erden
die besten Freunde werden.
Gerhard Schöne
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