15. Sonntag nach Trinitatis
Sorgen
Für unsere Vorfahren, die auf Gedeih und Verderb den Witterungsbedingungen ausgesetzt waren, war der Herbst eine Entscheidungszeit. Denn die Ernte brachte nicht immer nur Grund zum Danken, sondern auch zur Sorge. Denn es war nun klar, mit welchen Vorräten man den Winter überstehen musste.
Evangelium
aus der Bergpredigt Jesu (Mt 6,25-34)
Elia wird während einer Hungernot
von einem Raben ernährt
Sorgt nicht um euer Leben,
was ihr essen und trinken werdet;
auch nicht um euren Leib,
was ihr anziehen werdet.
Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung
und der Leib mehr als die Kleidung?
Seht die Vögel unter dem Himmel an:
sie säen nicht,
sie ernten nicht,
sie sammeln nicht in die Scheunen;
und euer himmlischer Vater
ernährt sie doch.
Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?
Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte,
wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung?
Schaut die Lilien auf dem Feld an,
wie sie wachsen:
sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.
Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit
nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.
Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet,
das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird:
sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen:
Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
Nach dem allen trachten die Heiden.
Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit,
so wird euch das alles zufallen.
Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Schlaraffenland - Pieter Bruegel
Interpretation
Zumindest die Kindheit durchleben die meisten Menschen als eine Phase der Sorglosigkeit, weil in dieser Zeit die Eltern für sie sorgen.
Wenn auch dieses "Paradies" irgendwann verloren geht, bleibt doch die Sehnsucht danach in uns bestehen. Bisweilen mag es in der Freizeit gelingen, sich selbst ein befristetes Schlaraffenland zu erschaffen, doch früher oder später zerbricht es wieder an Zwängen der Realität.
Jesu Appell gegen das falsche Sorgen ist hingegen keineswegs unrealistisch. Jesus erkennt an, dass "jeder Tag seine eigene Plage hat". Aber er weiß auch, dass übertriebene Vorsicht eine Spirale von Angst erzeugt, die eher Probleme schafft.
Der Verzicht auf die Sorge um das Morgen ist insofern realistisch, als man mit Gott, mit dem Unvorhersehbaren, rechnen muss und kann. Davon erzählt auch das ebenso naive, wie tiefe Sprichwort:
"Wenn du denkst, es geht nicht mehr,
kommt irgendwo ein Lichtlein her."
Letztlich lenkt Jesus - ähnlich wie vor ihm Buddha - unsere Aufmerksamkeit ganz auf die Gegenwart, in der allein sich das Leben ereignet.
Lied Don't worry - be happy (Bobby McFerrin) HÖREN
Bobby McFerrin
Here's a little song I wrote
You might want to sing it note for note
Don't worry, be happy
In every life we have some trouble
But when you worry you make it double
Don't worry, be happy
Don't worry, be happy now
Gedanke
Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen.
Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen.
Der Augenblick ist mein und nehm' ich den in acht,
so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht !
Andreas Gryphius
Kontext
America's Joyous Future
Reklame
Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre
in die Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille
eintritt
Ingeborg Bachmann
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