1. Weihnachtstag - Menschenamt
In der Nacht konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz auf den Stall, wie gebannt schaut man das kleine Licht in der Dunkelheit. Am Morgen weitet sich der Blick in die Landschaft, die Welt, für die diese Geburt irgendwie wichtig sein soll.
Der Gottesdienst am 1. Weihnachtstag wird entweder eine strahlende Messe sein, die mit Einsatz aller Chöre jubelnd hell und klar etwas von der kraftvollen Weite des Glaubens vermittelt, oder er wird nicht mehr sein (sondern einem sonntäglichen Ausschlaf- und Wohlfühl-Programm weichen).
Das wäre schade. Denn Weihnachten am hell-lichten Tage zu feiern ist anders, als in der heiligen Nacht. Nachdem Traum, Gefühl und Rausch ihren Raum hatten, ist jetzt die Zeit, im Licht der Vernunft die Tragweite der Weihnachtsbotschaft zu ermessen. Am Morgen des Christfestes ist es nicht mehr ein kleiner Stern, der in der Dunkelheit von Christus kündet, sondern die Sonne selbst.
Die Anbetung der Könige im Schnee - Peter Bruegel
Hintergrund
Als die Christen nach Jahrhunderten der Verfolgung zur Staatsreligion wurden und das römische Sonnenwendfest am 25. Dezember mit dem Geburtstag Jesu belegten, war darin sicher etwas Triumphalistisches.
Ein zwiespältiger Triumph, zweifellos: Denn die enge Verbrüderung mit der Macht hat der Kirche spirituell geschadet. Andererseits hat das Christentum damit auch einen problematischen Herrscherkult beendete, denn zuvor war es der Kaiser selbst, der sich als unbesiegbarer Sonnengott feiern ließ.
Einen Eindruck davon vermittelt die sog. "Evangelieninschrift" von Priene, die - aus der Zeit Jesu stammend - 1890 in der Türkei entdeckt wurde: Paulus Fabius Maximus, der Statthalter der Provinz Kleinasien, verklärt damit den Geburtstag seines Gönners, des Kaisers Augustus:
"Dieser Tag hat der Welt ein anderes Gesicht gegeben. Sie wäre dem Untergang verfallen gewesen, wenn nicht in dem neu Geborenen für alle Menschen das Heil aufgestrahlt wäre.
Richtig urteilt, wer in diesem Geburtsfest den Anfang des Lebens und aller Lebenskräfte für sich erkennt. Endlich ist die Zeit vorüber, da man es bereuen musste, geboren zu sein.
Die Vorsehung hat diesen Mann mit solchen Gaben erfüllt, dass sie ihn uns und den kommenden Geschlechtern als Heiland (Retter) gesandt hat. Jedem Krieg wird er ein Ende setzen, alles herrlich ausgestalten.
In seiner Erscheinung sind die Hoffnungen der Vorfahren erfüllt. Er hat nicht nur die früheren Wohltäter der Menschheit allesamt übertroffen; es ist unmöglich, dass je ein Größerer käme.
Der Geburtstag dieses Gottes hat der Welt eine frohe Botschaft (Evangelium) gebracht: Mit seiner Geburt beginnt eine neue Zeitrechnung.
Interpretation
Eine gewisse Anfälligkeit und Prachtentfaltung liegt in der menschlichen Natur. Wir Menschen sind eben nicht nur Staub; wir leben auch vom Glanz, der ein äußerer Widerschein der Würde ist, die in jedem Menschen wohnt.
Religionen nehmen das Prachtbedürfnis auf, binden es aber auch an. Solange es gut geht mit einer Religion, sind sich die Gläubigen bewusst, dass der Glanz eines Festes nur der Rahmen ist, der auf etwas Wichtigeres hinweisen soll.
In der Weihnachtsgeschichte wird das Hohe und Bestaunenswerte angebunden an das ganz Niedrige. Jesus, der wahrhaft königliche Mensch, durchkreuzt bewusst immer wieder unsere Vorstellungen vom heilen Leben. Er lenkt unseren Blick weg von den Königshäusern und Palästen auf das ganz Einfache:
Seht da - das Kind, der Mensch!
Anbetung der Könige -Wildunger Altar des Konrad von Soest
Biblische Lesung
Christus-Hymnus (Phil 2, 5-11)
Seid so unter euch gesinnt,
wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.
Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für sein Vorrecht, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist,
zur Ehre Gottes, des Vaters.
Geburt Christi
Christi Himmelfahrt
Wildunger Altar des Konrad von Soest
Gedanke
Nicht wo der Himmel ist, ist Gott,
sondern wo Gott ist, ist der Himmel.
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