Heilige Nacht - Christmette - Engelamt
Die Vigil in der Mitte der Nacht ist am ehesten Nachfolger des Engelamts. Sie hat eine Atmosphäre der Stille - die Aufgeregtheiten der häuslichen Feier sind vorbei - und man wird frei, die Weihnachtsbotschaft wirklich zu hören.
Evangelium
(Jh 1)
Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,
und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
Das war das wahre Licht,
das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht;
aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Wie viele ihn aber aufnahmen,
denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden.
Interpretation
Die späte Stunde eignet sich freilich nicht mehr für lange Erzählungen, wohl aber für tiefe mystische Gedanken und poetische Bilder. Musik, der man einfach zuhören kann, vorgetragen von Chor oder Instrumentalisten, gehört sicher unverzichtbar zu den Meditationsformen der Christmette. Sie hilft dem Mysterium Raum zu geben, ohne es entschlüsseln zu wollen.
Auch die Lichtsymbolik spricht an diesem Wendepunkt der Dunkelheit für sich. Nirgends wird der Termin der Mittwinternacht bewusster als in der Christmette.
Das Himmelslicht, das ab dem Weihnachtstag wieder langsam heller wird, wird vorweggenommen in Gestalt der Kerzen, die zugleich auf Christus verweisen. Denn wie eine Kerze, die nur leuchten und wärmen kann, indem sich ihr Körper aus Wachs und Docht verzehrt - so hat auch Christus gelebt: Er gab sich hin, um seinen Geist freizusetzen. Dieser Geist aber, sein Licht, leuchtet ins Unendliche. Man kann ihn austeilen, ohne dass er kleiner wird.
In Lippoldsberg teilen wir in der Christmette das "Friedenslicht aus Bethlehem", das seit 1989 jeweils am 3. Advent in der Geburtskirche zu Bethlehem entzündet und von Pfadfinderinnen und Pfadfinder ein Friedenslicht in ganz Europa verteilt wird.
Kontext
Lichtbogen, der am 21.12.
in der Grabkammer des
prähistorischen Observatoriums
von New Grange, Irland,
sichtbar wird.
"Der Kosmos ist Zeuge
für die Wahrheit des Wortes.
Bis zu diesem Tage
wachsen die finsterem Tage,
von diesem Tag an
nimmt die Finsternis ab.
Es wächst das Licht,
es weichen die Nächte!
Der Tag nimmt zu,
der Irrtum nimmt ab!
Auf geht die Wahrheit,
denn heute wird uns geboren
die Sonne der Gerechtigkeit."
(Hieronymus, 419 in Bethlehem gestorben)
Gedanke
Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
und nicht in dir:
du bleibst noch ewiglich verloren. (Angelus Silesius)
Gottesmutter des Zeichens
Gedicht
Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte sind:
Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand
gib ihr Gewand.
R.M. Rilke
Brauchtum
Vigilien
Die hohen Feste der Christenheit werden in der Nacht gefeiert.
In der Osternacht. Oder in der Heiligen Nacht.
Das ist seltsam, weil sonst alles Wichtige immer am Tage geschieht.
Die Nacht hingegen macht uns Angst.
Die Dunkelheit kann uns gefährlich nahe kommen.
Sicher hat jeder von Ihnen schon einmal
die Finsternis gefühlt wie ein Stück Stoff,
wie eine dicke Decke, die sich über uns legt.
Es ist,als wollten uns die kirchlichen Feiern wieder dorthin zurückführen.
In ein geheimnisvolles Dunkel, in die Tiefe, in das Unter-bewusste,
zu unseren Ursprüngen, dort, wo die Geburtsgeschichte spielt.
"Um das Werden der Tage ist es wie um das Werden der Menschen.
Die Kinder der Menschen müssen geboren werden.
Auch die Tage werden geboren.
Aus Nächten werden sie geboren.
Aus jenen stillen, sanften Müttern.
Denn die Nächte sind Mütter, tief und unergründlich,
und vieles bergen sie in ihrem Schoße.
Aber sie tragen es schweigend. Und ihr Schweigen ist groß.
Wenn Mütter sprechen, so schenken sie Worte - man weiß nicht, woher -
und man nimmt sie entgegen, wie man Geschenke entgegennimmt.
Man muß andächtig sein, wenn eine Mutter spricht.
Es ist sehr traurig, wenn einer nicht mehr andächtig sein kann."
Raphael Lombach OSB Maria Laach: Die geborenen Tage der Mönche
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