19. Sonntag nach Trinitatis
Krankheit und Heilung
Zu den zwiespältigen Themen des Herbstes gehört auch der Zusammenhang von "Krankheit, Heil und Heilung", der ebenfalls am 12. Sonntag nach Trinitatis im Gottesdienst seinen Ort hat.
Wenn in der Kirche vom Heil die Rede ist, ist das nicht spiritualisiert zu verstehen, auf eine nur seelische oder gar jenseitige Wirklichkeit bezogen. Heil meint erfüllte Lebendigkeit. Solches Heil umschließt auch die Erfahrungen von Krankheit und Tod, die ein Teil des Lebens sind.
Allerdings stellen diese gebrochenen Seiten des Lebens nicht - wie es manchmal scheint - die letzte Realität da. Der Glaube an Gott, von dem gesagt wird: "Ich bin der Herr, dein Arzt." (Ex 15,26), bleibt immer offen für Heilung - oder für die Auferstehung.
Alttestamentliche Lesung
Hos 6, 1-3
Kommt, wir wollen wieder zum Herrn;
denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen,
er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden.
Er macht uns lebendig nach zwei Tagen,
er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden.
Lasst uns darauf acht haben und danach trachten, den Herrn zu erkennen;
denn er wird hervorbrechen wie die schöne Morgenröte
und wird zu uns kommen wie ein Regen,
wie ein Spätregen, der das Land feuchtet.
Evangelium
Heilung eines Kranken am Teich Betesda (Joh 5,2-9)
In Jerusalem beim Schaftor gibt es einen Teich, der heißt auf hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen, in denen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte lagen.
Sie warteten darauf, dass sich das Wasser bewegte. Denn der Engel des Herrn fuhr von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde gesund, an welcher Krankheit er auch litt." (Diese Verse stammen aus einer späteren Überlieferung.)
Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden?
Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.
Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber an dem Tag Sabbat.
Interpretation
Der Teich Betesda - ein von Heilsversprechen aufgeladener Ort, an dem sich Menschen mit ihrer Sehnsucht nach Gesundung versammeln wie heute an den katholischen Wallfahrtsstätten Lourdes oder Altötting. Es gibt viele überzeugend belegte Fälle von wundersamen Heilungen.
Rollstuhlfahrer in Lourdes
Auch wenn im Letzten nie ganz zu klären ist, was bei solchen Wunderheilungen geschieht, weiß man doch, dass magische Techniken dabei eine Rolle spielen. Magie ist keine Zauberei, sondern eine alte, tief im menschlichen Bewusstsein verankerte Möglichkeit, schwer zugängliche seelische Prozesse durch äußere Symbolisierungen voranzutreiben. Wenn zum Beispiel Seelenkräfte wie Vertrauen und Hoffnung in der Hinwendung zu einem heiligen Ort Gestalt und Kraft gewinnen, kann das durchaus zur körperlichen Gesundung beitragen.
Andererseits besteht - und darin wurzelt die Angst vor allem Magischen - immer die Gefahr eines Missverständnisses. Man neigt dazu, sich auf das äußerliche Symbol zu fixieren. Man meint, die Heilung hinge z.B. von dem Wasser der Teiches ab, oder überhäuft sich mit Amuletten und Glückbringern, in denen sich letztlich nur das Gefühl der eigenen Unsicherheit und Angst manifestiert.
In der Evangeliengeschichte lenkt Jesus die Aufmerksamkeit des Kranken weg von dem äußeren Rahmen (Wer ist als erster im Wasser?) und zurück auf sich selbst: "Willst du gesund werden?" Auch wenn Jesus den Kranken anschließend mit einem Machtwort auffordert: "Steh auf, nimm dein Bett und geh!", ist es nicht er - als großer Heiler -, der die Heilung bewirkt. Immer wieder hat Jesus geheilte Menschen auf sich selbst zurückverwiesen: "Dein Glaube hat dir geholfen."
Glaube ist hier nicht als Katechismusfrömmigkeit zu verstehen: Wenn ich nur die richtigen Worte aufsage, dann werde ich von Gott mit Gesundheit belohnt. Auch das ist ein magisches Missverständnis. Glaube meint die innere Einstellung. Es ist ein Unterschied, sich resignativ ans Krankenlager zu binden oder das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Hildegard von Bingen, Albert Schweitzer, Sebastian Kneipp
Drei Heilkundige, die aus christlicher Überzeugung für die Gesundheit der Menschen wirkten.
Gebet
Mein Jesus, mache mich neu.
Heile meine Füße,
so werden sie auf dem Weg des Lebens gehen.
Heile meine Hände,
so werden sie das, was sie haben, mit anderen teilen.
Heile meine Ohren,
so werden sie den Schrei der Notleidenden hören.
Heile meine Augen,
so werden sie die Wunden der Kranken sehen.
Heile meine Zunge,
so wird sie dein Lob singen und freundliche Worte sprechen.
Heile meinen Verstand,
so wird er über Gutes und Edles nachsinnen.
Heile mein Herz,
so wird mein Glaube gestärkt.
Mein Jesus, mache mich neu.
Johnson Gnanabaranam
Das Leben ist kurz,
die Kunst ist lang,
die Gelegenheit flüchtig,
die Erfahrung unsicher,
das Urteil schwierig.Nicht nur der Arzt muss bereit sein,
das Erforderliche zu leisten,
sondern auch der Kranke selbst.Die Lebenskraft heilt die Krankheiten
und findet selbst die Wege und Mittel. Hippokrates
Die Ärzte und Märtyrer Cosmas und Damian
In der Herbstzeit, am 26.9. wird im Heiligenkalender der beiden Zwillingsbrüder Cosmas und Damian gedacht. Sie waren Ärzte, die ihre Patienten kostenlos behandelten, was ihnen den Beinamen "Anagyrier" (die Geldlosen) eintrug. In der Verfolgung unter Diokletian enthauptet, werden sie seit dem 5. Jahrhunderts als Märtyrer verehrt (SS. Cosma e Damiano in Rom) und stehen als Schutzpatrone der Heilkundigen, Ärzte und Apotheker für die Sehnsucht nach Heilung
Liturgisches Ritual
Salbung
Am 12. und 19. Sonntag nach Trinitatis kann - zumindest in der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck - eine Salbung in den Gottesdienst einbezogen werden. Damit greift auch die evangelische Kirche eine rituelle Handlung auf, die in der Christenheit eine alte Tradition hat: Sowohl in der orthodoxen als auch in der katholischen Kirche gibt es das Sakrament der Krankensalbung. Das Salbung ist freilich kein Heilungszauber, sondern nur eine tiefer erfahrbare Form der Segnung; sie will den Menschen öffnen für das Wirken Gottes, wie auch immer sich dies ausprägen mag.
[ Zurück zu "Zeiten" | weiter ]