12. Sonntag nach Trinitatis
Krankheit und Heilung
Wenn der Sommer sich dem Ende zuneigt, mischen sich die ersten Herbstthemen in den Gottesdienst. Der 12. und der 19. Sonntag nach Trinitatis sind dem Problemkreis "Krankheit" gewidmet. Die Begegnung mit Krankheiten gehört zur religiösen Grunderfahrung der Menschen. Sie kann den Glauben erschüttern oder auch neu nach Gott fragen lassen.
Heilung und Heil lassen sich nicht auseinanderreißen. Die mentalen Kräfte, um die es in der Religion geht, haben einen großen Einfluss auf Heilungsprozesse. Heilung im geistlichen Sinn bedeutet aber nicht unbedingt "gesund werden".
Es kann auch heißen, seinen Frieden zu machen mit der Krankheit, der eigenen Gebrechlichkeit, die zum Leben gehört.
Evangelium
Die Heilung eines Taubstummen (Mk 7,31-35)
Als Jesus fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte.
Da brachten sie einen zu ihm, der taub und stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege.
Und Jesus nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf!
Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig.
Interpretation
Jesus war nicht nur Handwerker und Wanderprediger; er war auch Arzt, ein Heilkundiger. Er verlangte kein Geld für die Behandlung von Kranken und verkaufte auch keine Medikamente. Er hatte keine eigene Praxis und bot seine Dienste auch nicht sonderlich an. Die Leute versammelten sich einfach dort, wo er öffentlich lehrte. Und wenn er vom Leben und vom Heil erzählte, dann konfrontierten die Menschen ihn mit ihren Erfahrungen von Unheil und Leiden. Manche wurden in der Begegnung mit ihm gesund.
Schamane beim Aussaugen der Krankheit aus dem Körper
Die uns befremdlich anmutende Behandlungsmethode Jesu, die hier zumindest angedeutet wird, erinnert an schamanistische Heiler, die mit psychodynamischen Ritualen Blockaden lösen und Heilungsprozesse einleiten.
Ohne medizinische Fragen zu solchen Wunderheilungen klären zu wollen - eines ist deutlich: Jesus durchbricht hier die Isolation eines Menschen und stellt die Verbindung zur umgreifenden Realität, zum heilen Ganzen wieder her.
Nicht immer führt aber eine Begegnung mit dem Heiligen zur Gesundung. Paulus wird vor Damaskus mit Blindheit geschlagen, Jakob geht aus dem Kampf mit Gott mit einer lahmen Hüfte hervor. Krankheiten können wichtig sein für die positive Entwicklung eines Menschen, sie können aus einer Bahn werfen, die in Sackgassen führt, sie können zurecht rücken zu neuer Ordnung.
Der Mensch im Einklang mit dem Kosmos
Hildegard von Bingen
Gebet
Mein Vater, ich überlasse mich dir,
mach mit mir, was dir gefällt.
Was du auch mit mir tun magst,
ich danke dir.
Zu allem bin ich bereit, alles nehme ich an.
Wenn nur dein Wille sich an mir erfüllt
und an allen deinen Geschöpfen,
so ersehne ich weiter nichts, mein Gott.
In deine Hände lege ich meine Seele.
Ich gebe sie dir, mein Gott,
mit der ganzen Liebe meines Herzens,
weil ich dich liebe und weil diese Liebe mich treibt,
mich dir hinzugeben, mich in deine Hände zu legen,
ohne Maß, mit einem grenzenlosen Vertrauen.
Denn du bist mein Vater.
Charles de Foucauld
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