Reminiszere
2. Sonntag der Passionszeit
Der Name Reminiszere (= Erinnere dich) verweist auf den Rahmenvers (Antiphon) des Sonntagspsalms "Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind." Ps 25,6;
Evangelium
Das Zeichen des Jona (Mt 12,38-41)
Einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern fingen an und sprachen zu Jesus: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen.
Da antwortete ihnen Jesus: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.
Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona.

Kees de Kort - Jona im Bauch des Walfischs - Neukirchener Kinderbibel
Interpretation
Die lange Passionszeit beginnt recht ruhig. In kleinen Episoden kündigt sich die Katastrophe an. Es ist der Unverstand seiner Jünger und die Erfahrung der Ablehnung durch andere, unter der Jesus zunehmend zu leiden beginnt. Die Widerstände, die Verstocktheit der Menschen, die Intrigen, die gesponnen werden, um ihn zu Fall zu bringen.
Wenn als Gegner Jesu immer wieder Pharisäern und Schriftgelehrten, also Anhänger frommer jüdischer Gruppierungen, aufgeführt werden, darf man nicht vergessen, dass Jesus selbst in allen, was er sagte, Jude war und blieb. Es lässt sich kein Gegensatz aufreißen, etwa zwischen widerspenstigen Juden und rechtgläubigen Christen. Verstocktheit ist ein menschliches Phänomen, das uns überall und immer wieder begegnet.
Anders als Jesus, der ein Meister der Selbsterkenntnis ist (siehe 1. Sonntag in der Passionszeit), sind die meisten Menschen Meister der Verdrängung. Wenn wir mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontiert werden, neigen wir eher dazu, den Boten zum Schweigen zu bringen, als den Kampf der inneren Veränderung aufzunehmen.
So führt unser Weg durch Verdrängung ins Leiden.
Der Weg Christi führt durch´s Leiden ins Leben.
Gedanken
Nichts bestimmt so sehr, wie wir sein werden,
wie die Dinge, die wir zu ignorieren beschließen.
Begegne einem Menschen, der dir deine Fehler enthüllt,
wie jemandem, der dir von einem verborgenen Schatz erzählt.
Passionszeit als Zeit der Einweihung
Die Zeit vor Ostern war in der frühen Kirche seit dem 4. Jahrhundert eine wichtige Zeit für die Taufbewerber, die damals nur in der Osternacht getauft wurden. Sie erhielten während der "vierzig Tagen" (Quadragesima) sogar einen neuen Titel und wurden "Photizomenoi" genannt, das heißt auf Griechisch "die erleuchtet werden". In dieser Zeit intensivierter Taufvorbereitung wurden sie eingeführt in das Mysterium von Tod und Auferstehung.

St.Callisto-Katakombe in Rom: Jesu Durchgang das Totenreich wird in Bildmotiven der Jona-Geschichte dargestellt
Das Evangelium des 2. Passionssonntags ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Brücke. Die Jona-Geschichte, die schon früh zur Veranschaulichung des Taufgeschehens verwendet wurde, wird hier auch mit Jesu Abstieg ins Grab in Verbindung gebracht. Die Taufbewerber, die - auf symbolische Weise - Untergang und Rettung des Jona nachvollziehen, treten damit ein in dieselbe Bewegung, die Jesus selbst vollzogen hat: durch den Tod hindurch ins Leben.
Noch heute ist die Passionszeit - zumindest bei uns in Lippoldsberg - eine Zeit gesteigerter Ansprüche an die Konfirmanden. Es ist die Zeit, in der sie die gottesdienstlichen Lesungen übernehmen und in der sie auf der letzten Freizeit ein Thema erarbeiten, das sie anschließend im Gottesdienst selbstständig darstellen.
Gebet
mit Worten des Stuttgarter Schuldbekenntnisses,
formuliert im Rückblick auf das Dritte Reich Christian Zippert
Vor Gott, unserem Richter,
und voreinander
bekennen wir uns schuldig
des Unglaubens,
der Ungerechtigkeit
und des Unfriedens,
im Kleinen und Großen.
Wir klagen uns an,
dass wir nicht mutiger bekannt,
nicht treuer gebetet,
nicht fröhlicher geglaubt
und nicht brennender geliebt haben.
Wir bitten Gott um Gnade,
um Vergebung unserer Schuld.
Wir hoffen zu Gott,
dass er uns trotz unseres Versagens
noch dazu brauchen kann,
sein Evangelium zu verkündigen
und an sein Gebot zu erinnern,
bei uns selbst und bei unserem ganzen Volk.
Wir hoffen zu Gott,
dass durch den gemeinsamen Dienst der Kirchen
dem Geist der Gewalt und der Vergeltung,
der heute von neuem mächtig werden will,
in aller Welt gewehrt werde
und der Geist des Friedens und der Liebe
zur Herrschaft komme,
in dem allein die gequälte Schöpfung Heilung finden kann.
Gemeinsam mit der ganzen Christenheit
bitten wir Gott um Erbarmen.
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