Halloween - Allerseelen - Totensonntag
Wurzeln
- Einleitung
- Samhain - Allerseelen
- Tod und Teufel
- Schattengeister - Lichtgestalten
den Teufel an die Wand malen
Es entspricht den Strukturen volkstümlich-magischen Denkens, über das, was Angst macht, möglichst nicht zu sprechen, um es ja nicht herbeizureden. Von Harry Potter hingegen kann man lernen, dass es klüger ist, die Dinge beim Namen zu nennen. Denn das Unheimliche verliert viel von seiner Macht, wenn man klar sieht, womit man es zu tun hat. So erscheint auch Halloween weit weniger spektakulär, wenn man der Geschichte dieser Feiertradition nachgeht.

Keltische Ornamente
Die Wurzeln des herbstlichen Festes reichen zurück in vorchristliche Traditionen. Die Kelten feierten am 1.November das wichtigste ihrer vier Hauptfeste: "Samhain". Nun ist die keltische Kultur wegen ihrer Zurückhaltung in Bezug auf schriftliche Überlieferungen eine ideale Projektionsfläche für allerlei phantastische Spekulationen. Aber soviel lässt sich mit einiger Sicherheit sagen: Samhain war ein Neujahrsfest.
Das Ende des fruchtbaren Halbjahres wurde als deutlicher Einschnitt in die Zeit erlebt. Zu diesem Termin versammelte man sich, vereinbarte Gesetze die in Zukunft gelten sollten. Es gab eine Friedenspflicht in den Tagen des Festes, deren Verletzung hart bestraft wurde. Man aß und trank natürlich miteinander, genoss die erwirtschafteten Vorräte, wodurch Samhain auch Züge eines Erntedankfests hatte.
Vor allem aber erinnerte man sich in Liedern und Geschichten an Ereignisse aus der mythischen Welt. Samhain als Fest des Übergangs schien für die Begegnung mit der unsichtbaren Wirklichkeit, die als eine höhere Realität angesehen wurde, besonders geeignet. Denn nachdem ein Zeitlauf beendet war und bevor der neue begann, tat sich gewissermaßen ein "Riss in der Zeit" auf, an dem die Lebenden und die aus der Zeit Gefallenen, die Geister der Ahnen, sich berührten konnten.
Die Druiden, als priesterliche Vermittler zwischen Diesseits und Jenseits, Bewusstem und Unbewusstem, förderten zum einen die Beschäftigung mit der Anderswelt, versuchten aber zugleich auch durch große Feuer und beschwichtigende Rituale, die Angst zu bannen, so wie bei Narrenfesten die bestehende Ordnung für eine begrenzte Zeit außer Kraft gesetzt wird, um verdrängten Dimensionen einen Spielraum zu eröffnen.

Keltische Schlangenornamente
Als in England und Irland im 8.Jahrhundert ein keltisch geprägtes Christentum in Blüte stand, fiel es nunmehr christlichen Priestern zu, die beunruhigenden Schatten des Totenreichs in Zaum zu halten.
Sie taten das, indem sie "geistliche Lichter" entzündeten bzw. einen christlichen Ahnenkult einsetzten. Sie gedachten an Samhain der Lichtgestalten des Glaubens, der Heiligen, die zwar auch Verstorbene sind - Geister, wenn man so will -, aber als leuchtende Vorbilder eine positive Ausstrahlung besitzen.
Im Jahre 837 wurde diese Verschiebung des damals schon viel älteren Allerheiligenfest auf den 1.November von Papst Gregor IV. ausdrücklich genehmigt. Man mag diese Entwicklung als machtvolle Unterdrückung oder als einfühlsame Inkulturation interpretieren, in jedem Fall wandelte sich "Samhain" im Zuge der Kultnachfolge allmählich zu "Halloween" (eig."All-Hallows-Eve" = Aller-Heiligen-Abend).
An der ersten Jahrtausendwende lagerte sich wiederum ein Totenfest an den Allerheiligentag an. Odilo, Abt des französischen Klosters Cluny, das sich in besonders intensiver Weise der Aufgabe des Totengedenkens angenommen hatte, erkannte die seelsorgliche Notwendigkeit, einen Tag des Gedächtnisses aller Verstorbenen zu stiften.
Es entstand der Allerseelentag (2.Nov.), der in fließender Fortsetzung des Allerheiligenfestes gefeiert wurde. Der neue Feiertag traf offenbar ein Bedürfnis, denn er breitete sich auch über die Cluny unterstehenden Klöster rasch aus. Noch im 11.und 12. Jahrhundert war Allerseelen von Mailand bis Lüttich geläufig; im 14.Jh. erreichte es Rom.

Seelenlichter
Ein Friedhofsgang mit Gräbersegnung am Nachmittag des Allerheiligenfestes ist seit 1578 bezeugt - wahrscheinlich ist diese Tradition aber viel älter. Die Gräber werden vorab gepflegt. Ein eindrücklicher Brauch sind die "Seelenlichter", die am Vorabend auf allen Gräbern entzündet werden und über den Allerseelentag brennen.
Neben dieser offiziellen liturgischen Praxis haben sich in Europa auch eigentümliche Volksbräuche zum Allerseelentag noch bis ins im 20. Jahrhundert hinein erhalten. Zum Beispiel "wird in der Steiermark an diesem Tag keine Tür und kein Tor gewaltsam zugeschlagen, aus Furcht, eine arme Seele zu zerquetschen. Da wird kein Messer auf dem Rücken, kein Rechen mit den Zinken nach oben liegengelassen, aus Vorsicht, dass nicht irgendeine arme Seele darüber stolpere, sich ritze oder schneide."
Von bewusster Darstellung der Geisterwelt zeugt ein spätherbstlicher Brauch aus dem Odenwald:
"Abends standen manchmal Kohlraben-, Dickwurz oder Kürbisköpfe auf Pfosten oder an Fenstern. Sie wurden von den alten Leuten ‚Lichter' oder auch ‚Gespenstlichter' genannt, denn sie waren hohl, und im Innern brannte eine Kerze oder ein Öllicht.
Man suchte sich besonders umfangreiche Dickwurzeln aus, möglichst solche mit roter Außenhaut, höhlte sie aus und schnitt in eine Seite der Wand ein Gesicht mit Augen, Nase und Mund als Lichtöffnungen. Örtlich wurde der Rübenkopf auch Totenkopf genannt.
Man wollte in der Zeit der immer mächtiger werdenden Dunkelheit zum einen seine eigene Angst vor bösen Geistern bewältigen und zum anderen Kinder und auch Erwachsene erschrecken." (Heinrich Sehnert)

Halloween - Nacht
Sogar das "trick or treat" (Süßes oder Saures) , mit dem Kindergruppen von Haus zu Haus gehen, hat seine Vorbilder in den Heischegängen, die bei uns in der Zeit herbstlich gefüllter Speisekammern schon lange geläufig waren und mit regionalen Unterschieden am Martins-, Nikolaus- oder Dreikönigstag noch heute praktiziert werden.
[ Zurück zu "Rituale" | weiter ]