Fronleichnam
Hostienkult
- Einleitung
- Wie entstand das Fest mit dem seltsamen Namen?
- Hostienkult
- Die Gestalt des Festes
- Reformation und Fronleichnamsfrömmigkeit
- Spurensuche nach den Wurzel des Brauchtums
Im Jahre 1215 wurde die sogenannte "Transsubstantiationslehre" zum Dogma erhoben. Auch wenn die philosophischen Denkvoraussetzungen dieser mittelalterlichen Lehre heute schwer zu verstehen sind, ist der Endeffekt recht einfach: Es geht um die Verwandlung der Substanzen Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, also in den Leib des Herrn, den vronlicham.
Wandlung und Macht
Hostienmühle - um 1470
Das neue Dogma des 13. Jahrhunderts führt diese geheimnisvolle Wandlung auf eine besonderen Macht der Priester zurück, die ihnen durch die Priesterweihe übertragen wird. Die kirchliche Hierarchie beanspruchte also für sich die Macht, Menschen zu befähigen, «Gott zu machen».
Was die Phantasie der Menschen immer gefesselt hat, der alchimistische Traum, aus wertlosen Substanzen Gold zu machen, der Stein der Weisen oder das Wasser des Lebens, die Unsterblichkeit verleihen - mit der Transsubstantiationslehre hatte die Kirche alle diese Zauberstücke verwirklicht: Sie besaß die Kunst, aus einfachem Brot „Gott“ zu machen.
In der mittelalterlichen Welt, in der Gott unbestritten als der höchste Wert galt, verlieh diese Verfügbarkeit über Gott den Kirchenvertretern absolute Macht.
Man kann Menschen schwer widersprechen, die Gott in der Hand haben. Die Kirche konnte anderen den Zugang zu Gott öffnen oder ihn versperren. Durch „Ex-kommunikation“ drängte sie Gegner an den Rand der Gesellschaft.
Frömmigkeit und magische Ver-Wandlung
Elevation der Hostie - 1503
Das neue Dogma veränderte auch die Frömmigkeit der Gläubigen tiefgreifend. Im Gottesdienst zog nun der Augenblick der Wandlung alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Kirche selbst hob die Wandlung dadurch hervor, dass sie 1217 eine neue Geste einführte: die Elevation. Nach den Einsetzungsworten "Hoc est corpus (meus)" hebt der Priester die Hostie hoch über seinen Kopf.
Da der Priester am Altar damals nur von hinten zu sehen war, erschien aus Sicht der Gemeinde in diesem geheimnisvollen Augenblick, über dem Haupt des Priesters, verdichtet in einen weißen Punkt, Gott selbst. Durch Schellenklang wurde dieser Augenblick nochmals unterstrichen.
Auch wenn die offizielle Theologie dies bestreiten würde, die Menschen erlebten die Wandlung als magische "Ver-Wandlung", als Zauberei. Die lateinischen Einsetzungsworte «hoc est corpus» wurden – unverstanden und deswegen verballhornt – zum Inbegriff aller Zauberformeln: Hokus Pokus = Hoc est corpus (meum) = Dies ist (mein) Leib.
Gegenüber der runden, weißen Oblate baute sich eine so heilige Scheu auf, dass viele sich damit begnügten, die gewandelte Hostie nur noch zu anschauen. Der Kelch wurde den Gläubigen von den Priestern ohnehin entzogen, weil der in Jesu Blut gewandelte Wein keinesfalls verschüttet werden durfte.
(Gegen protestantische Selbstgerechtigkeit sei hier daran erinnert, dass auch die evangelische Kirche es geschafft hat, das Abendmahl zeitweise so mit Ernst aufzuladen, dass es die Gläubigen in frommem Schauder kaum mehr essen wollten.)
Tabernakel und Monstranz
Tabernakel
Klosterkirche Lippoldsberg
So wurde aus dem Heiligen Mahl eine Schauveranstaltung, die ganz neue Formen aus sich heraussetzte. Da das Abendmahlsbrot, einmal gewandelt, nun auf Dauer göttliche Substanz blieb, wurden in die Kirchen Tabernakel eingebaut, Sakramentshäuschen, in denen Gott wohnte, wenn gerade kein Gottesdienst war. Ein ewiges Licht wies auf die Gegenwart des Leibes Christi hin.
Bei besonderen Anlässen wurde eine Hostie aus dem Tabernakel genommen und in einem kunstvoll gearbeiteten Schaubehälter (sogenannte Monstranz) auf den Altar gestellt, damit die Gläubigen vor ihnen Zwiesprache mit Gott halten konnten.
Monstranz
Von dieser Anbetung der Hostie auf dem Altar war es kein weiter Schritt mehr zu der Idee, dass man Gott in die Welt hinaustragen könnte, um die Macht der Kirche überall sichtbar zu zeigen.
Das Fronleichnamsfest ist eine der Verbreitungsstrategien der neuen Theologie. Die Designer des neuen Festes griffen alles auf, was es an glanzvollen Möglichkeiten gab. Und es war kein Geringerer als Thomas von Aquin, der wohl genialste Gelehrte seines Jahrhunderts, den man damit beauftragte, Teile der Liturgie des Fronleichnamsfestes eigenhändig zu verfassen.
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