Fronleichnam
- Einleitung
- Wie entstand das Fest mit dem seltsamen Namen?
- Hostienkult
- Die Gestalt des Festes
- Reformation und Fronleichnamsfrömmigkeit
- Spurensuche nach den Wurzel des Brauchtums
Spurensuche nach den Wurzel des Brauchtums
Die frische, frühlingshafte, vitale Kraft der Fronleichnamsbräuche hängt nicht an der spätmittelalterlichen Abendmahlslehre. Sie wurzelt viel mehr darin, dass die Erfinder dieses Festes auf ältere Formen zurückgriffen: Denn auch vor dem 13. Jahrhundert gab es Erntebittprozessionen, die eigentlich ein notwendiges Gegenstück zum Erntedankfest sind.
Flurprozessionen und Heilige Hochzeit
In rituellen Flurprozessionen drückten die Menschen ihre naheliegendsten Interessen aus: Die Bitte um Fruchtbarkeit des Bodens und die Abwehr schlechter Witterung - überlebenswichtige Dinge in einer Welt, die von der Landwirtschaft geprägt war. Sie kommen auch in Liedern zum Ausdruck, die in der evangelischen Kirche gern gesungen werden: z.B. Wie lieblich ist der Maien (EG 501, 1-2) oder noch deutlicher in dem Lied:
Lobt Gott in allen Landen - Martin Behm, 1606 (EKG 377, 2)
2. Herr, gib durch deinen Segen den lieben Sonnenschein,
dazu den sanften Regen, die du uns schaffst allein.
Die Frücht im Feld vermehre, behüt vor Reif und Schloß'
und allem Unheil wehre, dein Güt und Macht ist groß.
Himmel und Erde verbinden sich
Dargestellt wurde der ersehnte Erntesegen ursprünglich in einem Spiel mit sexueller Symbolik: Der Himmel besucht die Erde - und feiert eine "Heilige Hochzeit". Der männlich Gott vermählt sich mit der weiblichen Mutter Erde und durch die Verbindung mit den Himmelskräften (Regen, Licht und Wärme) kann die Erde Frucht, Wachstum, Reife - Leben hervorbringen.
Diese Symbolik ist auch eingegangen in das Brauchtum der Fronleichnamsprozession. Dort wird der Himmel dargestellt im Traghimmel und die meist als Sonnenscheibe gearbeitete Monstranz; die Erde wird herausgestellt durch die geschmückten Altäre und Blütenteppiche.
Primavera - Boticelli
Die Vereinigung beider wird sichtbar gemacht vom Weihrauch, der wie ein Samennebel vom luftigen Himmel her das Land befruchtet. Eine starke, sinnliche Erfahrung, wenn sich die Gerüche Arabiens mit dem Geruch frischer Erde und den ausströmenden Düften neuer Blüten verbinden.
Unterhalb der offiziellen Theologie leben also im Brauchtum Elemente fort, die ansonsten in der Kirche mit Macht verdrängt wurden. Zweifellos ist die negative Einstellung zur Sexualität eine der großen Schwachstelle der christlichen Tradition. Der Fronleichnamstag bietet Möglichkeiten, vorsichtig neue Wege einzuschlagen – natürlich losgelöst von dem theologischen Überbau der Hostienverehrung.
Das archaische Motiv der Heiligen Hochzeit fügt sich gut in diese Zeit der „roten Feste“, zwischen Pfingsten und Johanni, wo ohnehin die Hochzeitspaare in die Kirche kommen und die Themen von Kraft und Lebensfreude ihren natürlichen Platz haben.
Künstlerische Ausdrucksformen
Wir versuchen, an der Klosterkirche Lippoldsberg den Fronleichnamstag, der in Hessen Feiertag ist, nicht einfach zu übergehen, sondern laden zu kulturellen Veranstaltungen, die um das Thema "Liebe" kreisen.
Künstlerische Ausdrucksformen sind an Fronleichnam nichts Neues. Früher gingen sogenannte "lebende Bilder" in den Prozessionen mit. Teilweise entwickelten sich daraus – ähnlich dem Krippenspiel zu Weihnachten oder den Passionsspielen – dramatische Mysterienspiele.
Weil es keine eigentliche Festgeschichte zu Fronleichnam gibt, wurde damals recht frei auf biblische Stoffe, Sagen, Legenden usw. zurückgegriffen: Kain und Abel (Erntesegen), der Durchzug durch das rote Meer (Prozession). Der „Drachenstich” in Fürth im Wald gibt heute noch einen Eindruck der Formenvielfalt.
In Düsseldorf überführte man solche Spiele im 19. Jahrhundert in ein weltliches Künstlerfest. Auch der Deutsche Evangelische Kirchentag, der alle zwei Jahre in der Fronleichnamswoche stattfindet, ist eine sinnvolle Neuschöpfung des alten Motivs: Die Kirche überschreitet ihr engen Mauern und tritt ein in die Welt.
Siehe auch:
Manfred Becker-Huberti: Es begleitete ihn auf dem Weg das Volk in großen Scharen.
Fronleichnam, das Fest der Eucharistie in Kirchen und Brauchtum »»
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