Allerheiligen - oder die "Wolke der Zeugen"
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- Heilige sind nicht gleich Heilige
- Allerheiligen - oder die "Wolke der Zeugen"
- Literatur: Heilige
Trotz aller Hochschätzung der Individualität im Protestantismus gibt es sicher auch unter evangelischen Christen manchmal das Bedürfnis, sich selbst als Teil einer größeren, weitzurückreichenden und vielfältigen Traditionskette zu erleben - aufgehoben in der "Wolke von Zeugen", von der der Hebräerbrief berichtet.
Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.
(Hebr 12, 1-2)
Lippoldsberger Evangeliar - Kreis der Heiligen
Dieses Gefühl von Geborgenheit (auf dem oft so einsamen Weg der Nachfolge) zu vermitteln, war stets auch eine Funktion der Heiligen, sofern sie nicht als Einzelgestalten hervorgehoben, sondern als Tableau der "communio sanctorum" dargestellt wurden. In diesem Sinn lassen sich die alten Kirchenausmalungen verstehen, bei denen sorgsam geordnete Reihen von Heiligenfiguren die real versammelte Gemeinde umgeben und sie auf die Zentralgestalt Christus hin ausrichten.
Reihe von Heiligenfiguren
Neben diesen bildlichen Formen kennt die Liturgie auch sprachliche Weisen einer "beschwörenden" Repräsentanz der Heiligen. Während Fürbitt-Litaneien (Heilige Maria - bitte für uns! / Heiliger Johannes der Täufer - bitte für uns! / Heiliger ...) evangelischerseits nicht vollziehbar sind, gibt es doxologische Formen, die im evangelischen Gottesdienst durchaus ihren Ort haben. Zum Beispiel werden in dem Choral "Großer Gott, wir loben dich" (EG 331,1-5) verschiedene Kreise der anbetenden Wesen (Naturkräfte, Engel, Heilige) imaginiert, zu denen sich zuletzt die singende Gemeinde selbst hinzugesellt.
Zwei Orte, an denen es besonders naheliegt, die Himmel und Erde, Lebende und Tote umfassenden "communio sanctorum" liturgisch zu vergegenwärtigen, sind:
- das Abendmahl, wo im Gebet zu den Einsetzungsworten das Sanctus eingeleitetet werden kann mit den Worten:
"Darum vereinen wir uns mit den Engeln und allen Heiligen, deine Herrlichkeit zu preisen und einmütig zu singen ..."
- die Beerdigung, wo der Kreis der im Glauben Vollendeten imaginiert wird, in den der (oder die) Verstorbene nun eingebettet gedacht wird:
"Mit allen, die uns im Glauben vorangegangen sind,
und allen, die uns folgen werden,
beten wir, wie Christus uns zu beten gelehrt hat ..."
Schließlich besteht auch die Möglichkeit, den Allerheiligentag, der durch die Ausbreitung von Halloween (= All Hallows Eve) derzeit eine etwas bizarre Aktualität erhält, im evangelischen Raum wiederzugewinnen. Zumindest Karl-Ludwig Voss (Reformationstag und Allerheiligen) plädiert dafür, den Reformationstag und Allerheiligen als sich ergänzende Daten zu begehen, in denen sich das notwendige, spannungsvolle Miteinander von Reformation und Tradition darstellen lässt.
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